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In einer Klinik in Göppingen sind am Mittwochmorgen zwei Patienten tot aufgefunden worden. Vier weiteren betroffenen Patienten geht es dagegen wieder besser.

Göppingen (dpa/lsw)Nach der mutmaßlichen Verwechslung von Infusionslösungen bei einer Klinik in Göppingen mit zwei Todesfällen laufen die Ermittlungen auf Hochtouren. Die beiden gestorbenen Patienten, eine 62-Jährige und ein 78-Jähriger, sollen am Montag obduziert werden, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Donnerstag mitteilte. Ihnen und drei Männern im Alter von 69, 78 und 80 Jahren sowie einer 55 Jahre alten Frau war in der Nacht zum Mittwoch mutmaßlich eine falsche Infusion verabreicht worden. Klinik und Polizei gehen von einem Unglücksfall aus.

Den vier letztgenannten Patienten geht es inzwischen wieder besser. Sie würden keine gesundheitlichen Folgeschäden davontragen, wie Matthias Fischer, der Chefarzt der Anästhesie der Klinik am Eichert mitteilte. Bei einem weiteren Patienten sei noch unklar, ob er gleichfalls eine falsche Infusion erhalten habe. Bei allen Patienten seien Blutproben entnommen worden, um zu klären, ob sie tatsächlich die Lösung erhielten.

Fragen zur Ursache der Verwechslung

Noch ist rätselhaft, wie es zur Verwechslung der Infusionslösung zur Schmerzlinderung durch die examinierte Pflegekraft kommen konnte. Anstelle einer Kochsalzlösung wurde eine Infusion mit einem Lokal-Anästhetikum gegeben. Dieses wird laut Mitteilung normalerweise über eine kleine Pumpe verabreicht. In diesem Fall sei das Mittel über eine Infusion zugeführt worden, teilte der Medizinische Geschäftsführer der Alb-Fils-Kliniken, Ingo Hüttner mit. Der Nachtdienst habe eine routinemäßige Therapie mit dem Schmerzmittel mit falscher Trägerform zubereitet. Bei einer Überdosierung des Mittels kann es zu Herzrhythmusstörungen kommen.

Zu den gestorbenen Patienten sagte der Chefarzt, die Frau sei wegen einem Wirbelsäulenleiden und der Mann wegen einer Hüftoperation in Behandlung gewesen. Auf dem Stockwerk waren in jener Nacht drei examinierte Pflegekräfte für 63 Patienten zuständig gewesen. Es sei eine ganz normale Nacht gewesen und es habe auch keine übermäßigen Zugänge gegeben, sagte Hüttner.

Der Chef des Aufsichtsrats des Krankenhauses, Landrat Edgar Wolff, und auch die Klinik selber sprachen von einem tragischen Unglücksfall. Der Pflegekraft sei offensichtlich ein fataler Fehler widerfahren, sagte Wolf. Die betroffene Mitarbeiterin gilt nach Angaben der Klinikleitung als sehr erfahren und ist seit über 25 Jahren bei dem Klinikum beschäftigt. Die Angehörigen und betroffenen Mitarbeiter würden durch Notfallseelsorger betreut.

Konsequenzen gefordert

Die Behörden ermitteln gegen die Frau wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung. Es deutete zunächst nichts darauf hin, dass die Pflegerin mit Vorsatz gehandelt hat. Um Klarheit über die Todesursache zu bekommen werden die Leichen am Montag obduziert. Einem Polizeisprecher zufolge sollen auch die verabreichten Medikamente untersucht werden. «Wir verlassen uns nicht darauf, was auf der Packung steht. Da schauen wir genauer hin.»

Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, sagte, aus den Fehlern in Göppingen müssten schnell Konsequenzen gezogen werden. Er forderte eine lückenlose, standardisierte und elektronische Kontrolle der Medikamentenabgabe in allen Krankenhäusern. Intelligente Systeme könnten dann feststellen, ob das richtige Medikament beim richtigen Patienten lande. «Patienten müssen darauf vertrauen können, dass sie im Krankenhaus sicher sind und richtig behandelt werden.»

Die Klinik in Göppingen war bereits in der Vergangenheit im Fokus der Öffentlichkeit. Sie hatte Probleme mit einen multiresistentem Darmkeim. Auch deswegen ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Hintergrund: Patienten melden häufiger Verdacht auf Behandlungsfehler

Patienten, die bei sich einen Behandlungsfehler vermuten, wissen oftmals nicht, wie sie damit umgehen sollen. Eine Möglichkeit ist, sich an die Krankenkasse zu wenden, wie ein Sprecher des Medizinischen Diensts der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg am Donnerstag in Lahr sagte. Der MDK werde dann von der Kasse eingeschaltet. Er führe die Begutachtung unabhängig durch.

Dem MDK werden zunehmend mehr Verdachtsfälle auf einen Behandlungsfehler gemeldet. Er prüfte 2017 nach eigenen Angaben 4751 Fälle für Krankenkassen, in denen Versicherte eine falsche medizinische Versorgung vermuteten. Das sind rund elf Prozent mehr als im Jahr davor. 1214 der Verdachtsfälle ließ der MDK dann von Fachärzten begutachten.

Die Gutachter bestätigten den Vorwurf der Patienten in gut einem Viertel der Fälle - dieser Anteil entspricht in etwa dem Niveau der Vorjahre. Die meisten Verdachtsfälle richteten sich dem MDK zufolge gegen Ärzte, acht Prozent der mutmaßlichen Fehler wurden nach Ansicht der Patienten von Assistenzpersonal oder Pflegefachkräften verursacht. Am häufigsten zweifelten die Versicherten nach einem chirurgischen oder zahnmedizinischen Eingriff, im Bereich der Inneren Medizin, Gynäkologie und Geburtshilfe an der richtigen Behandlung.