Foto: Sven Hoppe/dpa - Sven Hoppe/dpa

Millionen Menschen in Baden-Württemberg lesen täglich die gedruckte Zeitung. Doch ihre Zahl sinkt unaufhörlich. Die Verlage kämpfen darum, Leser im Internet für sich zu gewinnen.

Bad Mergentheim (dpa/lsw)Die Tageszeitungen in Baden-Württemberg haben im vergangenen Jahr mit ihren Online-Angeboten mehr junge Leser erreicht. Die verkaufte Auflage der Printausgaben ging dagegen weiter zurück: um 2,7 Prozent auf 1,7 Millionen Exemplare. Dies geht aus dem Jahresbericht des Verbands Südwestdeutscher Zeitungsverleger hervor. An diesem Freitag treffen sich die Verleger in Bad Mergentheim (Main-Tauber-Kreis) zu ihrer Jahrestagung.

Dem Bericht zufolge erreichen die Zeitungen im Südwesten mit Print und Online zusammen 81 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren. Allein in der jungen Altersgruppe von 14 bis 29 Jahren kamen im vergangenen Jahr 1,1 Millionen Leser hinzu.

Der Vertrieb wird für die Zeitungen zu einem immer größeren Problem. Der Mindestlohn, der im nächsten Jahr auf 9,35 Euro pro Stunde steigt und auch für Zusteller gilt, kostet die Verlage Millionenbeträge. Trotzdem gibt es mancherorts kaum noch Zusteller, die die Zeitungen am frühen Morgen in die Briefkästen werfen.

Hinzu kommt ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, das einer Zeitungszustellerin im vergangenen Jahr einen Zuschlag für dauerhafte Nachtarbeit von 30 Prozent zusprach. Dieses Urteil gelte zunächst nur für den Einzelfall, nicht automatisch für alle Zusteller, betonte der VSZV. Zudem habe das Gericht die Pressefreiheit nicht ausreichend berücksichtigt. Dies spreche gegen eine unmittelbare Umsetzung des Urteils in anderen Zeitungsverlagen.

Das Interesse der Leser an ihrer Zeitung ist nach wie vor groß. Das ergab eine umfangreiche Leseranalyse der «Pforzheimer Zeitung» und der Universität Hohenheim, Fachgebiet Journalistik. Demnach haben Nachrichten aus Baden-Württemberg für rund 90 Prozent der Leser einen «wichtigen» oder sogar «sehr wichtigen» Stellenwert. Fast jeder zweite Leser wünscht sich mehr davon.

Laut Studie kommt es für eine Zeitung entscheidend darauf an, «dass die Redaktion von den Lesern als unabhängig wahrgenommen und keine zu große Nähe zu den Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft vermutet wird». Die Kommunikationswissenschaftler Claudia Mast, Klaus Spachmann und Katherina Georg sehen die Rolle der Journalisten in Zukunft daher noch stärker als Sachwalter und Dienstleister ihrer Leser: «Die Menschen wollen eine Berichterstattung, die sich im Zweifel auf ihre Seite schlägt und den Mächtigen auf die Finger schaut. (...) Dabei gilt es, konsequent die Perspektive der Leser einzunehmen, die lokalen Akteure kritisch zu begleiten und zu kontrollieren.»

Die Verleger wollen in Bad Mergentheim unter anderem über kommunale Amtsblätter als Konkurrenz zu Lokalzeitungen sprechen. Dazu ist eine Podiumsdiskussion geplant - unter anderem mit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Reinhart, dem Grünen-Fraktionsvorsitzenden Andreas Schwarz sowie Gudrun Heute-Bluhm vom baden-württembergischen Städtetag. Die «Südwest Presse» hatte erfolgreich gegen die Stadt Crailsheim geklagt, die in ihrem kostenlos verteilten «Stadtblatt» über Geschehnisse in der Stadt berichtete. Ende Mai wird dazu eine weitere Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart erwartet.