Nisha Toussaint-Teachout von Fridays for Future in Stuttgart. Foto: dpa - dpa

Seit Monaten protestieren die Aktivisten von Fridays for Future für eine andere Klimapolitik - auch im Südwesten. Wer sind sie und wie funktioniert die Bewegung?

Stuttgart/Freiburg (dpa/lsw)Die ersten Fridays-for-Future-Demonstrationen in Baden-Württemberg waren eher unscheinbar. Zu fünft seien sie gewesen, erzählt Nisha Toussaint-Teachout. «Eine gute Freundin von mir hat mich angeschrieben am Donnerstagabend.» Am nächsten Tag seien sie mit selbstgebastelten Schildern auf den Stuttgarter Weihnachtsmarkt gegangen. Das war am 30. November 2018. «Wir haben seitdem nicht mehr aufgehört.»

Mittlerweile ist viel passiert. Die 19 Jahre alte Stuttgarterin hat sich mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auf dessen Amtssitz getroffen. Und in zahlreichen Städten Baden-Württembergs protestieren Jugendliche regelmäßig für eine andere Klimapolitik. Mehr als 70 Ortsgruppen gebe es im Südwesten, erzählt Johannes Riess. Der 16 Jahre alte Schüler ist Teil des baden-württembergischen Presse-Teams. Er kommt aus Staufen bei Freiburg und gehört zur Freiburger Ortsgruppe. «Von den Demos her ist Freiburg die größte. Wir haben tatsächlich schon die 10.000 geknackt.» Als eine der wenigen bundesweit, wie er sagt. Er ist seit März bei Fridays for Future, geht in die elfte Klasse eines Berufskollegs und will später im Rettungsdienst oder als Pfleger arbeiten.

Nisha Toussaint-Teachout, Demonstrantin der ersten Stunde, ist Vollzeit-Aktivistin. Sie habe 2017 Abitur gemacht, wohne bei ihren Eltern und finanziere sich durch Ersparnisse, Yoga-Kurse, Vorträge und Workshops, berichtet sie. Sich für wichtige Themen einzusetzen werde in der Gesellschaft nicht genug anerkannt. Das sei ein Skandal und bezeichnend für unsere Gesellschaft. Ab Oktober will sie Aktivismus auch studieren im Rahmen eines selbst organisierten Studiengangs.

Demos, Ortsgruppe, Konferenzen, Vorträge, Treffen mit Politikern - sie rede fast nur noch über das Klima. «Das ist sehr anstrengend.» Andererseits sei es gut, weil es zum Thema geworden ist. Ihre Mutter zeigt sich besorgt über die Belastung: «Ich finde auf der einen Seite gut, dass sie diesen Weg geht und sich da einsetzt. Auf der anderen Seite würde ich mir manchmal auch ein bisschen mehr Leichtigkeit für ihr Leben wünschen.»

Auch für Johannes Riess sei der Tag dank Fridays for Future voller geworden. «Aber im positiven Sinn, tatsächlich, auch wenn es manchmal echt stressig ist.» Er habe nicht den Eindruck, das habe ihn oder andere Klimaaktivisten schulisch zurückgeworfen. Viele machten nachts Überstunden. Für die Freitagsdemos stehe er früher auf als sonst für die Schule. «In Freiburg beginnt der Aufbau zwischen 5.30 Uhr und 7 Uhr.» Seine Mutter findet das Engagement gut. Wenn es nach ihr ginge, fänden die Demonstrationen in Zukunft aber am Samstag statt. Das Schwänzen sei wichtig für die Aufmerksamkeit gewesen. Die sei aber jetzt vorhanden, so dass die Jugendlichen eigentlich am Samstag protestieren könnten, sagt sie.

In ganz Deutschland hat Fridays for Future mehr als 500 Ortsgruppen ist aber dennoch vergleichsweise locker organisiert. Jeder kann mitmachen. Teams kümmern sich etwa um Pressearbeit, Organisation oder Finanzen und wichtige Entscheidungen werden von allen Ortsgruppen gemeinsam abgestimmt. Die Aktivisten nutzen Chats, Telefonkonferenzen und Online-Foren. Feste Strukturen auf Landesebene gibt es noch kaum. Und wo kommt das Geld für die Demos her? Für Flyer, Plakate und Technik? «Zu 100 Prozent aus Spenden», sagt Johannes Riess, der für die Finanzen im Südwesten mitverantwortlich ist. Das Geld werde beispielsweise auf Demonstrationen oder über Internetlinks gesammelt.

Riess geht davon aus, dass es die Bewegung noch eine Weile geben werde, weil die Politik nicht schnell genug handele. Auch Toussaint-Teachout sieht Fridays for Future noch lange nicht am Ziel: «Wir haben nicht viel erreicht von dem, was wir erreichen wollen. Wir wollen Klimagerechtigkeit und der sind wir eigentlich noch kein Stück nähergekommen.» Baden-Württembergs Klimapolitik habe «einiges an gut gemeinter Politik aber wenig gute». Man habe die selbstgesteckten Klimaziele verfehlt. Das neue Klimaschutzgesetz und das neue Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept stimmten nicht mit dem 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens überein und seien daher nicht ambitioniert genug. Baden-Württemberg müsse als eine der reichsten Regionen Vorreiter sein, findet Toussaint-Teachout. «Eigentlich müsste es für uns am allereinfachsten sein.»

Jetzt dranzubleiben, das sei die Herausforderung, sagt Toussaint-Teachout. Und was, wenn die Politik nicht liefert? Sie kämpften weiter. Das sei das Einzige, was sie tun könnten. «Ich setze ganz viel auf den 20.9.» An dem Tag sind weltweit Klimademonstration geplant, auch im Südwesten. Johannes Riess ist optimistisch. Bis zu 20.000 Teilnehmer sollen es in Freiburg dieses Mal werden.