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Stuttgart - Die Justiz im Südwesten muss voraussichtlich 13 weitere Schwerverbrecher aus der Sicherungsverwahrung entlassen. Bei diesen Fällen seien die Möglichkeiten des Landes „denkbar begrenzt“, sagte Justizminister Ulrich Goll (FDP) in Stuttgart. „Das ist zu bedauern. Wir machen alles, was geht.“
Aber den 13 Betroffenen werde man nicht ausnahmslos eine „psychische Störung“ nachweisen können, um die Öffentlichkeit vor ihnen zu schützen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hatte im Dezember festgestellt, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung in Deutschland gegen die Menschenrechte verstoße. Danach müssen in Deutschland mindestens 80 Täter entlassen werden, obwohl sie noch als gefährlich gelten. Einige erhielten trotz einer ausstehenden endgültigen Entscheidung durch den Bundesgerichtshof bereits an Oberlandesgerichten recht, woraufhin sie freigelassen wurden. Nach einem Bericht der „Badischen Zeitung“ will die Landesregierung Sicherungsverwahrte, die freigelassen werden sollen, künftig auf freiwilliger Basis in den Vollzugsanstalten belassen. Eine solche Regelung gibt es bereits in Hamburg.
Vorbereitungsphase entfällt
Üblicherweise werden Gefangene, die lange Haftstrafen hinter sich haben, über Monate auf die Entlassung vorbereitet und auf ihrem Weg begleitet. Diese Unterstützung fällt in den genannten Fällen weg. Nun soll ihnen angeboten werden, dass sie für eine Übergangszeit in der Vollzugsanstalt wohnen bleiben und nach und nach auf ein Leben draußen vorbereitet werden. Goll setzt bei der Sicherungsverwahrung weiter auf die elektronische Fußfessel. „Dazu müssen die Spielregeln bei der Führungsaufsicht rasch geändert werden, um sie ihnen anlegen zu können, auch wenn sie dies nicht freiwillig wollen.“ Mit der Manschette, die mit einem Minisender ausgestattet ist, lässt sich ein Bewegungsbild erstellen und die Überwachung durch die Polizei erleichtern.
Nach einem Beschluss des Bundeskabinetts soll die Sicherungsverwahrung künftig nur möglich sein, wenn sie im Urteil zumindest vorbehaltlich vorgesehen war. Zudem sollen „psychisch gestörte“ Täter in neue, geschlossene Einrichtungen kommen. Dass bei allen Altfällen eine „psychische Störung“ attestiert werden kann, sieht Goll skeptisch: „Wer jetzt sagt, dass wir alle mit einbeziehen können, der streut den Leuten Sand in die Augen.“
Goll bedauerte, dass das Sozialministerium eine Zuständigkeit für als „psychisch gestört“ eingestufte Fälle ablehnt. „Wir nehmen dies zur Kenntnis und sind bereit, das zu machen“, betonte Goll. Dazu werde im Südwesten eine zentrale Einrichtung geschaffen. „Man kann davon ausgehen, dass wir auf dem Gelände einer vorhandenen Anstalt ein Gebäude errichten oder einen Gebäudeteil räumen, in denen die Behandlung psychisch Gestörter dann vom Justizvollzug abgegrenzt ist.“
Hoher Betreuungsbedarf
Über den Standort dieser zentralen Einrichtung ist laut Goll noch nicht entschieden. „Es wird bisher noch nicht näher bezifferte Kosten verursachen. Wir brauchen jetzt mehr Geld.“ Um die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erfüllen zu können, sei ein neues Betreuungsverhältnis nötig. „Wir wissen noch nicht, mit welcher Zahl von zu Betreuenden wir zu rechnen haben.“ Bei eventuell 30 Fällen brauche es 30 Betreuer.
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