Kostenlose Kitas im Südwesten: Die SPD will das mit einem Volksbegehren durchsetzen. Foto: dpa

Die SPD will ihr Volksbegehren für kostenlose Kitas vor Gericht durchsetzen. Unterstützt wird sie von Befürwortern der direkten Demokratie. Die fühlen sich von Kretschmann betrogen.

Stuttgart (dpa/lsw)Die Verfassungshüter müssen im Streit zwischen der grün-schwarzen Landesregierung und der oppositionellen SPD über ein Volksbegehren für kostenlose Kitas entscheiden. Die SPD reichte am Montag in Stuttgart einen entsprechenden Antrag beim Landesverfassungsgerichtshof ein. Landesparteichef Andreas Stoch sagte: "Wir haben sehr gute Argumente auf unserer Seite." Prozessbevollmächtigter für die SPD ist der Verfassungsrechtler Joachim Wieland. Er meint, die baden-württembergische Verfassung stehe den Instrumenten der direkten Demokratie sehr freundlich gegenüber - und zwar auch bei Vorhaben, die Geld kosteten.

Das Innenministerium sieht das anders. Es lehnte den Antrag der SPD für ein Volksbegehren als unzulässig ab. Innenminister Thomas Strobl (CDU) begründete die Entscheidung damit, dass das Volksbegehren, wenn es erfolgreich sein sollte, den Haushalt des Landes wesentlich beeinflussen würde. Die SPD hält der Regierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vor, das Volksbegehren aus politischen Gründen nicht zu wollen. Stoch warf insbesondere Kretschmann vor, sich mittlerweile von der direkten Demokratie verabschiedet zu haben, nachdem er lange für eine stärkere Bürgerbeteiligung geworben hatte.

Volksabstimmungen über wichtige Themen

In den baden-württembergischen Kommunen müssen die Eltern derzeit unterschiedlich hohe Beträge für die Betreuung ihrer Kinder in Kitas zahlen. Insgesamt geht es nach Angaben des Städtetags um 730 Millionen Euro im Jahr. Die SPD spricht von 529 Millionen Euro jährlich, die dann aus dem Landesetat kommen sollen. Die Landesregierung hatte sich mehrfach gegen eine generelle Gebührenfreiheit ausgesprochen. Für den Fall, dass die SPD vor Gericht mit ihrem Volksbegehren scheitern sollte, hat der Parlamentarische Geschäftsführer der Landtags-Grünen, Uli Sckerl, die Prüfung einer weiteren Verfassungsänderung in Aussicht gestellt. Damit solle mehr direkte Demokratie ermöglicht werden. Es könne nicht sein, dass die Bürger nur Volksabstimmungen über Sonnenschein und Regen abhielten.

Die grün-rote Vorgängerregierung hatte die Verfassung bereits 2015 geändert, um die Hürden für Instrumente der direkten Demokratie zu senken. Angesichts dessen zeigte sich der Verein "Mehr Demokratie" entsetzt über die Entscheidung, den SPD-Antrag abzulehnen. "Der Wunsch nach einem anderen Politikstil hat 60 Jahre CDU-Herrschaft beendet", sagte Landesgeschäftsführerin Sarah Händel mit Blick auf die Landtagswahl 2011, bei der CDU-Regierungschef Stefan Mappus nach der Auseinandersetzung um Stuttgart 21 abgewählt wurde. Dass der Verfassungstext so ausgelegt werde, dass alle wichtigen Entscheidungen außerhalb der Reichweite der Bürger lägen, sei starker Tobak. "Erst wurden die Erwartungen bei den Bürgern geweckt, und jetzt schlägt man drei Rollen rückwärts." Es könne nicht sein, dass alle Themen für die direkte Demokratie wegfielen, die größere Summen Geld kosteten.

SPD wirft Kretschmann Verrat vor

"Kretschmann hat den Geist unserer Landesverfassung verraten", sagte deshalb auch SPD-Landeschef Stoch. Sollte der Antrag der SPD vor Gericht Erfolg haben, will die Partei ihr Volksbegehren weiter vorantreiben. Sollte sie scheitern, will die SPD das Thema Kita-Gebühren im Landtagswahlkampf 2021 hochziehen. Die SPD hofft auf eine zügige Entscheidung der Verfassungsrichter. Verfassungsrechtler Wieland geht davon aus, dass diese in einigen Monaten kommen wird.