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Daimler und Ministerpräsident Kretschmann. Das ist im Autoland Baden-Württemberg ein ganz enges Verhältnis. Nun rückt auch der schwäbische Premiumhersteller in den Fokus der Diesel-Krise. Da platzt dem Regierungschef die Hutschnur.

Stuttgart (lsw)- Angesichts der jüngsten Vorwürfe gegen Daimler hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) an die Autohersteller appelliert, mit Abgas-Tricksereien zulasten der Kunden aufzuhören. «Ich kann die Automobilindustrie nur eindringlich auffordern, mit diesen Praktiken radikal zu brechen. Verbraucher haben den Anspruch drauf, dass das, was auf dem Papier steht, auch in der Praxis funktioniert», sagte Kretschmann am Dienstag in Stuttgart.

Am Montag war bekanntgeworden, dass Daimler europaweit 774 000 Diesel-Fahrzeuge wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung zurückrufen muss. Kretschmann wollte sich nicht konkret zu diesem Fall äußern, da er mit dem Daimler-Vorstand selbst noch nicht gesprochen habe. Grundsätzlich müsse man bei Vorwürfen immer beide Seiten hören. «Aber Sie können sich natürlich vorstellen, dass ich schon einigermaßen irritiert bin», räumte er ein.

Der Grünen-Politiker sieht allerdings keinen Grund, von seiner früheren Aussage abzurücken, dass es den sauberen Diesel gebe. Bei einem Besuch bei Daimler hatte Kretschmann gesagt: «Die werden doch jetzt nicht mit dem Ministerpräsidenten in der Gegend rumfahren und sagen, es sind jetzt tolle Werte, die nachher nicht stimmen. Das kann ich mir nicht vorstellen.» Kretschmann erklärte am Dienstag, es gehe bei den nun im Raum stehenden Vorwürfen um «Altlasten».

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte am Montag nach einem Gespräch mit Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche gesagt, der Bund werde unverzüglich einen amtlichen Rückruf für 238 000 Daimler-Fahrzeuge anordnen, die in Deutschland betroffen seien. Daimler will den Rückruf umsetzen, kündigte aber auch einen Widerspruch dagegen an, um rechtliche Fragen zu klären.

Was ist beim Thema Abgasreinigung Betrug? Was ist in einer Grauzone und was noch legal? Kretschmann monierte, da gebe es fließende Grenzen - auch, weil die Politik die Gesetze lasch gefasst habe. Betrug gehe gar nicht. Aber Gesetzeslücken auszunutzen und damit das Vertrauen der Bürger zu strapazieren, sei nicht weniger schlimm.

Der Verkehrsexperte der CDU-Landtagsfraktion, Thomas Dörflinger, wurde deutlicher. Er sagte dem SWR zur Rückrufaktion für die betroffenen Daimler-Autos: «Es ist eine Ohrfeige für den Automobilstandort bei uns.» Daimler habe in der Vergangenheit immer wieder beteuert, nicht in den Dieselskandal verwickelt zu sein. «Deswegen ist es ein Schlag – nicht nur für das Unternehmen selbst, für die Automobilindustrie – sondern auch für das gesamte Land.»

Unterdessen ist die grün-schwarze Landesregierung beim Thema Fahrverbote in Stuttgart noch nicht viel weiter. Zwar gilt es in der Koalition als schwierig bis unmöglich, nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts um Fahrverbote für Diesel-Autos der Euronormen 3 und 4 zur Luftreinhaltung herumzukommen. Kretschmann betonte aber, es gebe weiterhin noch keine Pläne.

Nach einem Treffen Kretschmanns mit Scheuer war Ende vergangener Woche spekuliert worden, die grün-schwarze Landesregierung plane Fahrverbote für ältere Diesel-Autos und zugleich Ausnahmen für Autos der Euronorm 5, wenn sie nach einer technischen Nachrüstung bestimmte Stickoxid-Werte erfüllen. Darauf ging Kretschmann nicht konkret ein. Er deutete nur an, dass Hardware-Nachrüstungen technisch und rechtlich kompliziert seien. Zudem könnten die Autohersteller zu solchen Maßnahmen nicht gezwungen werden. Bislang sperren sie sich.