Ein Teil des Landschaftsparks Duisburg Nord der einstigen Bauausstellung sind ehemalige Industrieanlagen. Foto: Roth Quelle: Unbekannt

Von Uwe Roth

Stuttgart/Essen - Die Städte und Gemeinden des Landkreises Esslingen sind Teil der Internationalen Bauausstellung (IBA) Region Stuttgart. In zehn Jahren findet das Megaprojekt seinen Abschluss. Bis 2027 sollen Ideen umgesetzt werden, die „die Anforderungen ans Wohnen, Arbeiten und an die Mobilität der 30er Jahre des 21. Jahrhunderts erfüllen“, sagt Esslingens Oberbürgermeister Jürgen Zieger. Als Regionalrat hat der SPD-Politiker die IBA mitbeschlossen. „Schöner Wohnen ist keine IBA“, stellt er klar. „Ein Reihenhaus mit Grasdach ebenfalls nicht.“

Vage Ideen, die exemplarisch für eine Neuausrichtung der Siedlungspolitik stehen, liegen vor. Doch bis zur Umsetzung ist der Weg holprig. Auf diesem bauen sich Hindernisse auf in Form von Bauvorschriften, Förderkriterien, ausbleibenden Geldzusagen, Anwohnerprotesten und Entscheidungsträgern, die nach euphorischen Beschlüssen schnell mal die Angst vor der eigenen Courage ereilt.

So passierte es bei den Planungen zur interkommunalen Gartenschau Remstal 2019. Dort kippte ein Bürgerentscheid den geplanten Aussichtssteg des Stuttgarter Büros Schlaich Bergermann Partner, das mit seinen spektakulären Brückenbauten bei der IBA Emscher Park Erfolge erzielt hatte. Diese IBA fand im Norden des Ruhgebiets zwischen 1989 und 1999 statt. Dorthin fuhr eine Delegation der Wirtschaftsförderung und des Verbands Region Stuttgart (VRS), um sich Anregungen für die Umsetzung der eigenen IBA zu holen. Obwohl der Abschluss der IBA Emscher Park fast 20 Jahre zurückliegt, ist das Thema im Dreieck Duisburg-Essen-Bottrop weiterhin populär und wichtig, erfuhren die Teilnehmer der Reise, die von Thomas Kiwitt, Leitender Technischer Direktor des VRS, angeführt wurde.

Wichtige Netzwerke

So nahmen sich unter anderem der Staatssekretär des Bauministeriums, der Bereichsleiter Umwelt des Regionalverbands Ruhr, der in Duisburg für die Stadtentwicklung zuständige Beigeordnete und der Vorstandsvorsitzende der Emschergenossenschaft ausreichend Zeit zu erklären, worauf es bei der Realisierung der Ideen im Wesentlichen ankommt: auf gute Kommunikation und die Bildung von Netzwerken. 17 Städte mussten lange Jahre im Boot gehalten werden.

Ständig fiel der Name des ehemaligen IBA-Geschäftsführers Karl Ganser, der mit seiner Begeisterung alle mitgerissen habe - Investoren, Bürger oder Politiker. Geld, so schien es den Besuchern aus Stuttgart, war weniger das Problem. Das schien über den bis 1995 vom Verbraucher bezahlten Kohlepfennig ausreichend vorhanden gewesen zu sein. In 120 Projekte wurden 2,5 Milliarden Euro investiert.

An den realisierten Projekten der IBA Emscher Park wird sich die IBA Stuttgart nicht orientieren können. Im Ruhrgebiet schlossen damals viele Zechen, Gießereien und Kokereien. Für riesige und großflächige Anlagen musste eine neue Nutzung gefunden wird. „Was du nicht verstecken kannst, das halte“, lautete ein Motto. Zu den im Rahmen der IBA erhaltenen Monumenten, deren Abriss viele Millionen gekostet hätte, gehören der Gasometer in Oberhausen, die Zeche Zollverein in Essen oder der Landschaftspark Duisburg-Nord. Diese spektakulären Industriebauten werden heute als Museen, Ausstellungshallen oder Aussichtspunkte für Besucher genutzt. Die Sanierung einer Bergarbeitersiedlung ist ein sinnvolles, aber eher unspektakuläres Projekt gewesen.

Suche nach Intendant

Die Monumente sind im Ruhrpott als Symbole des Strukturwandels erhalten geblieben. Der kam in den 1990er Jahren sehr viel offensichtlicher daher als der Strukturwandel, der sich in der Region Stuttgart durch die Umstellung auf die Produktion von E-Autos, die Wirtschaft 4.0 sowie den demografischen Wandel anbahnt. Jede Zechenschließung hatte Tausende arbeitslos gemacht und für Aufregung gesorgt. Was mit der Zeche passierte, interessierte jeden. Von der öffentlichen Wahrnehmung des Wandels profitierte die IBA. Wenn hingegen in der Region Stuttgart ein kleiner Unternehmer Pleite geht, weil er als Zulieferer der Autohersteller den Anschluss ans Elektrozeitalter verpasst, nimmt das kaum jemand wahr. Die IBA Region Stuttgart sucht deswegen einen kommunikativen Intendanten, der nicht nur fachlich überzeugt, sondern die IBA ein Jahrzehnt lang öffentlichkeitswirksam vorantreiben kann. Ein geeigneter Kandidat ist derzeit nicht in Sicht. Zieger kann immerhin Projektideen beisteuern: „Esslingen hat eine gute Chance, mit seinem Hochschulgelände in der Flandernstraße den Ansprüchen einer Internationalen Bauausstellung gerecht zu werden“, sagt er.