Exotisches Federvieh: Kanadagänse stehen auf der Neckarwiese im Heidelberger Stadtteil Neuenheim vor einer vorbeifahrenden Reinigungsmaschine, die die Wiese von Gänsekot säubert. Die Stadt will mit Jagd und Fütterungsverbot die Anzahl der Gänse verringern. Foto: Uwe Anspach/dpa - Uwe Anspach/dpa

Sie werden zu Luft, Wasser und zu Land bekämpft - Nilgänse. Deren Kot verdreckt Strände, Wiesen und Seen und vermiest den Menschen das Badevergnügen.

Heidelberg (dpa/lsw) «Willkommen, du kleines Gänsetier! Sei tausendmal willkommen hier!» - dieser Reim von Wilhelm Busch klingt in den Ohren mancher Bürger wie Hohn. Am liebsten würden sie das Federvieh loswerden, das vielerorts zur Plage geworden ist: Gänse verdrecken mit ihrem Kot Liegewiesen, Schwimmbäder und Badeseen. Von den drei Gänsearten in Deutschland - Kanada-, Grau- und Nilgans - ist letztere am weitesten verbreitet. Der in allen Braun- und Beigetönen schildernde Vogel mit den dunklen Augenflecken vermehrt sich rasant und ist so aggressiv, dass Enten, Schwäne und Störche vor ihm weichen.

In vielen Städten zerbrechen sich die Verwaltungen den Kopf, wie man die ungebetenen Gäste hinauskomplimentiert. Betroffen sind Metropolen ebenso wie kleinere Gemeinden. Das Instrumentarium reicht von Drohnen über Betoneier und spezielle Kehrmaschinen bis hin zum - umstrittenen - Abschuss. In einem sind sich wohl alle einig, die mit der Spezies zu tun haben: Ein Patentrezept gibt es nicht.

Die Gänse lieben geschorenes Gras

Die aus Afrika stammenden Nilgänse fühlen sich heimisch, sobald sie kurz geschorenes Gras vorfinden. Das kann schon mal auf einem Rasensportplatz sein; Alopochen aegyptiacus bevorzugt aber «Weidegründe» am Rand von Gewässern. Beispiel Heidelberg: Auf den kurz geschnittenen Neckarwiesen treten Jogger und Spaziergänger alle Nase lang in die Hinterlassenschaften der Exoten. Ingrid Beyer, die mit einer braunen Feder in der Hand über die Wiese schlendert, sagt: «Ich bin entsetzt über den unhygienischen Zustand. Es ist ein Wunder, dass die Wiese noch so gut besucht ist.» Die Rentnerin hätte nichts dagegen, den Gänsebestand durch Bejagung der Tiere zu reduzieren.

Das ist auch Ziel der Stadtverwaltung, die einen neuen Anlauf nimmt: Jagdpächter in der Umgebung Heidelbergs sind verstärkt aufgefordert, die Nilgans zu bejagen. Aktuell werden im Jahr durchschnittlich 70 bis 80 Tiere geschossen. Zum Maßnahmenbündel gehören auch eine spezielle Kotreinigungsmaschine, die allerdings nur bei trockenem Wetter funktioniert. Die Strafen bei Verstößen gegen das Fütterungsverbot sollen erhöht und Kontrollen durch den Ordnungsdienst verstärkt werden. Bislang sind bei der ersten Regelverletzung 35 Euro fällig, künftig 55 Euro - bei Wiederholung 60 und bald 75 Euro.

In Stuttgart drohen beim wiederholten Füttern bis zu 5000 Euro. Dort tummelt sich das Federvieh im Schlossgarten und verschmutzt die Liegewiese. Hunderte grünliche Häufchen machen den Weg zum Landtag zu einem Hindernisparcours.

Nach Angaben des Deutschen Jagdverbandes hat die Nilgans ihr Verbreitungsgebiet in Deutschland binnen acht Jahren um 71 Prozent ausgedehnt. Schwerpunkte sind in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Anna Martinsohn vom Verband verweist auf die Fressschäden in der Landwirtschaft. Wichtiger ist ihr aber der Erhalt der Artenvielfalt: «Die Nilgänse verdrängen die heimischen Vogelarten, weil sie aggressiver sind.» Opfer sind Störche, deren Nester sie erobern, sowie die Fresskonkurrenten Enten und Graugänse. «Die Gänsebejagung ist ein hocheffektives Mittel zur Reduktion und Vermeidung von Schäden», ist Martinsohn überzeugt.

Gänse-Task-Force schaltet sich ein

Aber Tierschützer machen mancherorts Jagd-Befürwortern einen Strich durch die Rechnung. So in Nürnberg am bei Gänsen und Menschen beliebten Wöhrder See. Dort setzt man nach Protest gegen den Abschuss auf Kotsauger und Betoneier, die in die Nester der Vögel geschmuggelt werden. Eine «Gänse-Task-Force» hat sich des Themas angenommen.

Auch Frankfurts Brentanobad hatten Wildgänse okkupiert. Mit bis zu 100 Gänsen mussten sich die Badegäste dort 2015 das Areal teilen. Zur Abschreckung zu Wasser gelassene Trauerschwäne aus Plastik hatten nach drei Tagen ausgepickte Augen. Weder die Schilder gegen das Verfüttern von Pommes noch Lärm bewirkten etwas, berichtet Axel Seidemann. Der professionelle Jäger erlegte mit Sondergenehmigung der Stadt Frankfurt im September 2017 sechs Gänse. Ein sogenannter Vergrämungsabschuss, der den Rest der Vogelschar Mores lehren sollte. «Die toten Kumpel machten den Überlebenden wohl drastisch klar, dass ihre Zeit im Bad beendet war», erzählt Seidemann. Deutlich weniger Gänse hätten sich danach an den Tatort gewagt.

Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) sieht die Sache ganz anders. «Aus Naturschutzsicht gibt es keinen Grund zur Empörung», sagt Eric Neuling vom Verband. Dieser bestünde nur, wenn die Gänse etwa die Weißstorchpopulation ernstlich bedrohten. Vor dem Abschuss gebe es doch andere Mittel wie Ausgleichsflächen oder Zäune um Badeseen. Die Jagd auf Nilgänse ist in derzeit neun Bundesländern erlaubt, die Jagdzeiten liegen zwischen drei und sechs Monaten. Viel zu lang, meint der Nabu-Experte. Denn es bestehe die Gefahr, neben Nilgänsen auch nicht jagbare durchziehende nordische Wildgänse zu erwischen. Man könne davon ausgehen, «dass jährlich etwa fünfzehn- bis zwanzigtausend Nilgänse in Deutschland geschossen werden», bedauert der Vogelschutzreferent.

Und es könnten mehr werden: Die Nilgans steht seit 2017 auf der EU-Liste der invasiven Arten. Die Länder sind daher verpflichtet, die Nilgans zurückzudrängen. Der Jagdverband hält die Jagd für eine sehr effektive Methode, dies zu erreichen. Er fordert deshalb die Aufnahme des Vogels in das Bundesjagdgesetz. Damit dürfte der während bestimmter Zeiten in ganz Deutschland bejagt werden.