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Die Mietpreisbremse soll dem Mietwucher einen Riegel vorschieben. Doch das Landgericht Stuttgart hat die Regelung nun aus formalen Gründen ausgehebelt.

Stuttgart (dpa/lsw)Gilt sie oder gilt sie nicht, die Mietpreisbremse im Südwesten? Das Landgericht Stuttgart hat sie in Baden-Württemberg in einem Berufungsverfahren für unwirksam erklärt. Die Bewertung des Urteils ist denkbar unterschiedlich.

Was hat das Gericht genau bemängelt?

Das Gericht hat die von der Landesregierung Baden-Württemberg am 29.09.2015 erlassene Mietpreisbremse für "formell rechtswidrig und deshalb nichtig" erklärt. Die Begründung der Landesverordnung wurde nicht veröffentlicht.

Warum hält das Gericht die Transparenz für nötig?

Laut 13. Zivilkammer muss nachvollziehbar sein, weshalb die Mietpreisbremse in einem bestimmten Gebiet gelte. Die Veröffentlichung soll den Grundrechtsschutz der Vermieter sicherstellen, die durch die Mietpreisbremse in der Nutzung ihres Eigentums beschränkt werden. Ohne eine vollständige Begründung könne der Vermieter seine Rechte nicht wahrnehmen. Dementsprechend könnten Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs, etwa einer Klage nicht abgeschätzt werden. Dem Argument des Landes, auf Anfrage werde die Begründung ja herausgegeben, folgte die Kammer nicht. Eine Revision ist nicht zugelassen.

Was ist die Mietpreisbremse und wo gilt sie?

Dieses gegen Mietwucher gedachte Instrument begrenzt in Gemeinden mit angespanntem Wohnungsmarkt Mieterhöhungen bei Neuvermietung auf zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete. Es gilt für 68 Gemeinden im Südwesten - von Altbach bis Winnenden.

Welche Wirkung hat das Urteil aus Sicht der Landesregierung?

Nach Aussage von Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) gilt die Bremse weiterhin. Das zivilrechtliche Urteil im Einzelfall habe aber eine Signalwirkung für mögliche weitere Verfahren im Land, so dass sich andere Gerichte dieser Argumentation anschließen könnten.

Welche Konsequenzen ziehen die Vertreter der Vermieter?

Ganz anders als die Ministerin bewertet der Haus- und Grundbesitzerverein Haus & Grund Stuttgart die Folgen des Urteils: Alle Vermieter aus Stuttgart und anderen benachbarten Regionen, deren Amtsgerichte das Landgericht Stuttgart als Berufungsinstanz haben, müssten die Bremse nicht mehr beachten. "Dort ist die Mietpreisbremse mausetot", sagt Verbandsgeschäftsführer Ulrich Wecker. Das ist ganz im Sinne des Verbandes, der ihre Abschaffung fordert - wie in Schleswig-Holstein bereits geplant. Das Instrument schaffe keine einzige Wohnung mehr, argumentiert Wecker. Wenn die Städte mehr Bauflächen auswiesen, wachse das Angebot und reduzierten sich die Preise. "Die Mietpreisbremse ist nur ein Placebo", meint Wecker.

Wie sehen die Vertreter der Mieter das Urteil?

Nach Meinung des Mietervereins Stuttgart gilt die Mietpreisbremse schon mit dem jetztigen Urteil des Amtsgerichts Stuttgart von Ende 2018 nicht mehr. Deshalb hätten auch Klagen von Mietern gegen Vermieter wegen Verstoßes gegen die Verordnung zurückgezogen werden müssen, erläutert Verbandschef Rolf Gaßmann. Das sei umso bedauerlicher, da bei Wiedervermietungen die Mieten in der Landeshauptstadt im Schnitt um 30 Prozent angehoben würden. Das Ministerium müsse schleunigst eine neue Verordnung ohne die bisherige Vielzahl an Ausnahmen schaffen. Noch besser wäre es, wenn sich die CDU im Bund einer deutschlandweiten Regelung nicht länger verweigere. Gaßmann: "Generell ist die Mietpreisbremse nicht der Renner - aber besser als nichts."

Wie geht es weiter?

Das Wirtschaftsministerium hat gleich nach dem Urteil die Begründung ins Netz gestellt, wie vom Gericht gefordert. Das hat allerdings keinen Einfluss mehr auf die Entscheidung der Richter. Ressortchefin Hoffmeister-Kraut kündigt eine neue Landesverordnung auf aktualisierter Datengrundlage an. Mit einer gerichtsfesten Neuregelung auf Basis eines externen Gutachtens sei nicht vor einem Jahr zu rechnen. Sorgfalt gehe da vor Schnelligkeit. Aus Sicht der SPD im Landtag hätte die Ministerin viel eher regieren müssen. Jetzt würden die Mietpreise ungehindert weiter steigen, sagt der Abgeordnete Daniel Born. Viel schneller lasse sich ein flächendeckender Mietpreisdeckel einführen. Laut Ministerin muss der überhitzte Wohnungsmarkt jedoch für jede Kommune einzeln nachgewiesen werden: "Das ist für uns rechtlich keine Option."