„Atomkraft - nein danke“: Demonstranten schwenken die Fahne, während der unbeladene Frachter in die Schleuse Gundelsheim einfährt. Foto: dpa Foto: dpa - dpa

Von Wolfgang Jung und Tatjana Bojic

Mannheim - Erstmals soll Atommüll in Deutschland auf einem Fluss transportiert werden. Das erforderliche Schiff legte gestern von Neckarwestheim Richtung Obrigheim ab. Der für morgen erwartete Transport von zunächst drei Castor-Behältern zurück nach Neckarwestheim ist umstritten. Fragen und Antworten dazu:

Ist mit Zusammenstößen zwischen Polizei und Gegnern zu rechnen?

Aus Sicherheitskreisen verlautet, die Polizei werde mit Hunderten Beamten im Einsatz sein. Gestern wurde das noch unbeladene Schiff von der Wasserschutzpolizei begleitet, Polizeifahrzeuge waren an der Strecke postiert. Ein Hubschrauber beobachtete aus der Luft. Die Gegner demonstrierten eher verhalten, haben aber für den Tag des Transports sichtbare Proteste angekündigt. „Konflikte entstehen nur dann, wenn das Versammlungs- und Demonstrationsrecht an den Transporttagen eingeschränkt werden soll. Und wenn die Polizei mit unverhältnismäßigen Mitteln gegen Protestierende vorgeht“, sagt Herberth Würth vom Aktionsbündnis „Neckar castorfrei“.

Wann könnten die Transporte losgehen?

Die Beförderung der ersten drei Castor-Behälter soll nach dpa-Informationen morgen erfolgen. Demnach wird das Schiff heute am stillgelegten Atomkraftwerk Obrigheim mit dem Atommüll beladen. Insgesamt plant der Energieversorger EnbW in den kommenden Wochen fünf Transporte mit je drei Castoren auf dem Neckar.

Warum soll Atommüll aus dem abgeschalteten Atomkraftwerk Obrigheim nach Neckarwestheim gebracht werden?

Eigentlich wäre für die Lagerung der 342 ausgedienten Brennelemente ein eigenes Zwischenlager in Obrigheim nötig. Allerdings ist in Neckarwestheim noch Platz: Von den dortigen 151 Lagerstellen sollen nur 125 für Castor-Behälter verplant sein, der Rest wäre demnach frei - etwa für die 15 Behälter mit Brennelementen aus Obrigheim. Die Genehmigung für eine Aufbewahrung der Brennelemente im Zwischenlager am Kernkraftwerk Neckarwestheim war dem EnBW-Konzern bereits im Jahr 2016 erteilt worden. Atomkraftgegner kritisieren die Entscheidung.

Ein vorhandenes Zwischenlager nutzen statt ein neues zu bauen - was ist daran so umstritten?

Experten wie der Physiker Wolfgang Neumann kritisieren, dass wohl nicht geprüft wurde, ob in Obrigheim ein Zwischenlager möglich wäre, das in puncto Sicherheit besser wäre als andere Zwischenlager im Südwesten - einschließlich Neckarwestheim. „Ist das nicht so, muss eine Sicherheitsabwägung gemacht werden zwischen der Lagerung in Obrigheim und einem Transport nach Neckarwestheim“, sagt der Strahlenexperte aus Hannover. „Leider hat Entsprechendes auch unter einem Grünen-Umweltminister nicht stattgefunden“, sagt Neumann.

Warum soll der Atommüll auf dem Neckar transportiert worden?

EnBW und Polizei argumentieren, dass eine Beförderung auf der Schiene oder auf der Straße aufwendiger sei. Die Sicherheit sieht das Unternehmen nicht gefährdet - der Chef der Kernkraft GmbH von EnBW, Jörg Michels, nennt das Transportschiff sogar „praktisch unsinkbar“. Hingegen bezeichnet die Landesvorsitzende des Umweltverbandes BUND, Brigitte Dahlbender, den etwa 50 Kilometer weiten Transport auf dem Neckar als „riskanteste Variante“. Es wäre der EnBW zufolge die erste Verfrachtung von Atommüll auf einem Fluss in Deutschland. In der Vergangenheit waren verbrauchte Brennelemente aber auf dem Wasser etwa nach Großbritannien gebracht worden.

regeln während des transports

Während des bevorstehenden Atommüll-Transports auf dem unteren Neckar ist der Einsatz von Drohnen zwischen Obrigheim und Neckarwestheim der Polizei zufolge verboten. Auf der gesamten Strecke sei es etwa untersagt, Drohnen an Einsatzorten von Sicherheitskräften oder in der Nähe von Polizeihubschraubern und Brücken steigen zu lassen, teilten die Behörden in Göppingen gestern mit. Verboten seien zudem Drachen- und Gleitschirme.

Die Polizei drohte bei schwereren Verstößen mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren sowie mit Geldbußen bis zu 50 000 Euro. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur könnte der Transport von drei Castor-Behältern mit ausgedienten Brennelementen per Schiff morgen erfolgen. Die Organisatoren wollen den Termin nicht nennen und verweisen auf Sicherheitsstandards.

Die Polizei bekräftigte, dass es weiterhin ein allgemeines Bade- und Schwimmverbot für den Neckar gebe. Demzufolge sei es auch zwischen Obrigheim und Neckarwestheim untersagt, etwa nahe Brücken zu baden.