Moderne Fortbildungseinrichtungen lassen auf sich warten: Hinweistafel an der ehemaligen Polizeiakademie in Freiburg. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Tatjana Bojic

Stuttgart - Weniger Standorte, fehlendes W-Lan, veraltete Duschräume: Bei der Polizei in Baden-Württemberg mangelt es aus Sicht der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) an etlichen Stellen. „Beispielsweise kann man fast drei Jahre nach der Schließung der Fortbildungseinrichtungen in Freiburg und Wertheim nicht einmal ansatzweise von einem Ersatz sprechen“, sagte der Landesvorsitzende Ralf Kusterer gestern. Die Stimmung unter den Auszubildenden, Lehrern, Dozenten und Professoren sei auf dem Tiefpunkt. Polizeianwärter verließen kurz nach der Einstellung die Polizeibildungseinrichtungen, die von ihnen als „miserabel“ bezeichnet würden. „So sieht heute keine Jugendherberge mehr aus.“

Reinhart: Kritik berechtigt

Doch das Land will sich den Problemen bereits angenommen haben: Nach Auskunft von Innenminister Thomas Strobl (CDU) vollzieht Baden-Württemberg gerade das „größte Ausbildungs- und Beschäftigungsprogramm in der Geschichte der Polizei“. Der Südwesten erfülle jetzt - vorbehaltlich der Beschlüsse im Landtag - bereits das, was zum Ende der Legislatur im Jahr 2021 versprochen worden sei. „Mit der Einstellung von 1400 Polizisten im Jahr sind wir jetzt schon an der Grenze, mit 1800 brauchen wir neue Ausbildungskapazitäten.“

Die CDU-Fraktion gab Kusterer allerdings recht. „Die Kritik der Deutschen Polizeigewerkschaft ist berechtigt. Die Situation muss besser werden“, sagten Fraktionschef Wolfgang Reinhart und der innenpolitische Sprecher, Thomas Blenke. Deshalb habe die Landtagsfraktion bereits im Doppelhaushalt 2018/19 einen deutlichen Schwerpunkt auf die innere Sicherheit gelegt. „Im Zuge der geplanten Erhöhung der Einstellungszahlen von 1400 auf 1800 Polizisten in den Jahren 2018 und 2019 werden wir auch die finanziellen Mittel für zusätzliche Ausbildungsstandorte bereitstellen.“ Aktuell findet die Einstellung der Polizeischüler im mittleren Dienst laut Kusterer überwiegend im Süden (Lahr und Biberach) und nur in kleinem Umfang in Bruchsal statt. An der Ausstattung mangele es aber. „In einigen Gebäuden müssen Eimer dazu dienen, eindringendes Wasser aufzufangen, Platten fallen von den Toiletten- und Duschwänden ab“, erzählt Kusterer. Erst in der vergangenen Woche sorgte die Krätze in Bruchsal für die zeitweise Schließung. Und auch die Hochschule für die Polizei in Villingen-Schwenningen ist laut Kusterer „ein Desaster“: Kaum W-LAN, veraltete Lehrräume. „Man kann die Zustände bei der Polizei auch so beschreiben: Mit der Kreidetafel gegen Internetkriminalität.“ Bis heute habe die Polizei im Fortbildungsinstitut in Böblingen beispielsweise keinen Ersatz für die bis 2015 in Wertheim und Freiburg vorhandenen Kriminaltechniklehrsäle. „Das ist deshalb fatal, weil die Qualität der Kriminaltechnik von herausragender Bedeutung im Strafverfahren ist. Nur super ausgebildete Kriminaltechniker sichern eine optimale Kriminalitätsbekämpfung und die Grundlagen für sachgerechte Urteile“, sagt Kusterer. Viele Lehrgangsteilnehmer weigerten sich, in den ehemaligen Bundeswehrzimmern zu übernachten und veraltete Gemeinschaftsduschen und Toilettenanlagen zu nutzen.

Landesregierung prüft Standorte

Derzeit prüft die Landesregierung Standorte für eine neue Polizeischule. Schon beschlossen ist - von Herbst 2018 an - ein neuer Standort in Herrenberg. Im weiteren Verlauf des kommenden Jahres ist ein noch ein anderer Standort geplant. Doch Kusterer zeigt sich wenig zuversichtlich: „Zu unserem Leidwesen soll Herrenberg einen total veralteten Unterbringungsstandard erhalten und orientiert sich keineswegs an dem, was heute eine moderne Bildungseinrichtung ausmacht.“ Allein Herrenberg reiche nicht aus, um die beabsichtigten und in der Polizei dringend benötigten jährlichen Einstellungen von 1800 zu erfüllen.

Laut Reinhart soll die frühere Fortbildungsstätte Wertheim im Main-Tauber-Kreis - sie wurde zwischenzeitlich als Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge genutzt - polizeilich weitergenutzt werden. „Das wurde der Stadt Wertheim schriftlich zugesagt“, sagte Reinhart, der dort seinen Wahlkreis hat. DPolG-Landeschef Kusterer: „Um diesen Standort wieder zu reanimieren, benötigt man mehrere zehn Millionen Euro und Zeit.“ Im Gespräch für Standorte neuer Polizeischulen sind laut Kusterer außerdem Mengen/Hohentengen im Kreis Sigmaringen und Messstetten im Zollernalbkreis.