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Von Hermann Neu

Stuttgart - Langsam wirkt sich die Energiewende auch auf dem Arbeitsmarkt aus: Momentan hängt jeder 100. Job von erneuerbarer Energie wie dem Ausbau von Windkraft und Solarenergie oder vom Einsatz energiesparender Techniken wie der Wärmedämmung ab. Der DGB im Land will bei der Energiewende auf gute Arbeit und die Wahrung von Arbeitnehmerinteressen achten.

Bei der Vorstellung einer vom Umweltministerium und vom DGB in Auftrag gegebenen Studie erklärten Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) und DGB-Landeschef Nikolaus Landgraf gestern in Stuttgart, die Energiewende könne positive Wirkung auf die Beschäftigung im Land haben. Einen Automatismus aber sieht der DGB-Chef nicht. Laut Untersteller kann die Energiewende ein Jobmotor sein. Das Land habe die Möglichkeiten im einen oder anderen Bereich noch nicht ausgeschöpft und rangiere etwa bei der erneuerbaren Energie bundesweit nur auf Platz elf. Die Studie befasste sich erstmals umfassend mit dem Thema Energiewende und Jobs.

Im zuletzt ausgewerteten Jahr 2014 hatten zusammen 56 500 Beschäftigte mit der Energiewende zu tun. Gegenüber 2013 mit 60 500 Beschäftigten bedeutet dies einen leichten Rückgang - ausgewirkt hat sich die Kürzung der Förderung der Photovoltaik. Als Folge beträgt der Zuwachs bei der Solarstromnutzung aktuell etwa 170 Megawatt pro Jahr, zu den Hochzeiten waren es 600 bis 800 Megawatt. Insgesamt sind die Zahlen eher konservativ, erfasst wurden nur Jobs, auf die sich Förderprogramme ausgewirkt haben. Wenn Private etwa ihre Kellerdecke dämmen ließen, ist dies nicht eingerechnet. Untersteller erklärte, die Energiewende sei kein Selbstläufer. Sie biete aber Zukunftschancen und könne dann zu mehr Beschäftigung führen.

Landgraf sprach von einer wirtschaftspolitisch richtigen Entscheidung, aber auch einer großen Herausforderung durch die Energiewende, die die Politik steuern müsse. Staatliche Förderung sei hier gut eingesetztes Geld. Großen Handlungsbedarf gebe es durch den harten Preiskampf etwa beim Ausbau der Windenergie, der die Arbeitskräfte unter Druck setze. Steigende Arbeitsanforderungen machten starke Betriebsräte, Mitbestimmung der Arbeitnehmer und möglichst große Tarifbindung notwendig, um einen Unterbietungswettbewerb zu verhindern. Die Entwicklung der heimischen Solarindustrie, die nahezu völlig verschwunden ist, sollte „ein warnendes Beispiel sein“, erklärte der DGB-Landeschef. Die Studie könne zur Versachlichung der Diskussion beitragen, sagten Landgraf und die Co-Autorin der Studie, Ulrike Lehr von der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung. Lehr nannte die langfristigen Jobeffekte der Energiewende „auf jeden Fall positiv“. Ralf Löckener von der Beratungsgesellschaft für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung Sustain Consult verwies darauf, dass die Beschäftigten bei den meist kleineren Projekten einer künftig dezentralen Energieversorgung oft deutlich unter den Bedingungen des Flächentarifvertrags lägen. Auch Betriebsräte seien selten. Arbeitsplatzchancen gebe es auch beim Rückbau von Atomkraftwerken. Viele Unternehmen verfolgten eine Energiewende-Konversion und hätten auch eine stabile Beschäftigtenzahl. Neue Anforderungen an die Qualifikation der Mitarbeiter führten aber zu einem „Drehtüreffekt“: Bisherige Beschäftigte, die für die neuen Jobs oft schlecht geeignet sind, werden dabei durch andere Kräfte ersetzt.