Foto: Symbolbild DPA - Symbolbild Peter Steffen/Archiv

Die Zahl der Einbrüche ist rückläufig. Die Angst davor ist geblieben. Brutale Überfälle wie einer im Januar in Ulm tragen dazu bei. Für den Bewohner endete er tödlich. Nun müssen sich zwei Eheleute dafür verantworten.

Ulm (dpa/lsw) Drei Männer stehen plötzlich im Wohnzimmer. Mit einem Nageleisen schlägt einer auf den 59 Jahre alten Wohnungsinhaber ein. Er wird geknebelt und stirbt. Auch seine Mutter - im hohen Alter von 91 - wird misshandelt. Für einen der brutalsten Wohnungseinbrüche im Südwesten seit Jahren müssen sich seit Freitag zwei der mutmaßlich vier Täter vor dem Landgericht Ulm verantworten: Ein Mann aus Georgien und seine Ehefrau aus Kasachstan, beide wohnen in Ulm. Zwei mutmaßliche Komplizen sind auf der Flucht. Einer von ihnen sitzt in Israel in Auslieferungshaft.

Dem Ehemann Giorgi N. (zur Tatzeit 39) wirft die Staatsanwaltschaft Mord, schwere Körperverletzung und Raub vor (Az. 2 Ks 21 Js 488/18). Seine Ehefrau Natalia N. (zur Tatzeit 46) ist wegen schwerer Körperverletzung und Raubes angeklagt. Den Fotografen im Landgericht präsentieren sie sich mit einem Briefumschlag und einem Aktenordner vor dem Gesicht. Als die Anklage verlesen wird, lassen sie keine Gemütsbewegung erkennen. Die Dramatik, die Brutalität, die Skrupellosigkeit des Verbrechens, das Oberstaatsanwalt Peter Staudenmaier schildert, scheint sie nicht zu berühren.

Es war der 6. Januar 2018 gegen 2.00 Uhr, so der Staatsanwalt, als Giorgi N. und zwei andere Männer zunächst in die Garage eines Hauses im gutbürgerlichen Ulmer Stadtteil Eselsberg eindringen. Natalia N. habe in einem Fluchtauto gewartet.

Als die Männer ein vergittertes Fenster aushebeln und sich dann Zugang zur Wohnung verschaffen, machen die Einbrecher laut Anklage so viel Krach, dass der 59 Jahre alte Mann aufwacht. Die Täter seien darauf vorbereitet gewesen. Sie hätten gewusst, dass der Mann mit großer Wut reagieren könnte.

Woher? «Seine Ehefrau kannte die Verhältnisse, weil sie zuvor als Hauswirtschafterin der Arbeiterwohlfahrt in der Wohnung war.» Die Frau habe erzählt, dass die alte Dame Geld und Schmuck in ihrem Bett verstecke. Und auch, dass ihr Sohn Widerstand leisten könnte.

Deshalb, so die Anklage, hätten sich die drei Männer mit eigens besorgten Nageleisen bewaffnet sowie Pack- Klebeband mitgebracht. Als sie vor dem 59-Jährigen standen, hätten sie sofort auf ihn eingeschlagen. «Das Opfer wies schwere Verletzungen am Kopf und im Gesicht auf, sowie Abwehrverletzungen an den Armen.» Der Mann sei gefesselt und geknebelt worden. «Das Klebeband wurde ihm so fest um das Gesicht gewickelt, dass er nicht mehr richtig atmen konnte.»

Zudem sei dem Mann die Nase gebrochen worden, das Blut sei nach innen gelaufen und habe zusätzlich die Atmung behindert. Die 91 Jahre alte Mutter hätten die Täter zur Seite gestoßen, einer habe ihr eine Kette vom Hals gerissen und sie dabei verletzt. Als die Täter weg waren - mit Schmuck im Wert von rund 10 000 Euro -, konnte die Seniorin das Klebeband vor dem Mund ihres Sohnes zerschneiden. Zu spät. Das Gehirn sei bereits geschädigt gewesen durch den Mangel an Sauerstoff, erklärt der Anklagevertreter. Das Opfer starb wenige Stunden später.

«Wollen Sie sich zu diesen Vorwürfen äußern?», fragt der Vorsitzende Richter Gerd Gugenhan. Nein, erklären die beiden Anwälte, das wollten ihre Mandanten nicht. Finanzielle Schwierigkeiten, so sagt es die Staatsanwaltschaft, hätten die Eheleute im Jahr 2017 dazu gebracht, kriminell zu werden. «Seitdem lebten sie von Einbrüchen.» Unter anderem in eine Wohnung mit einer Beute in Höhe von 40 000 Euro. Und in eine Wallfahrtskirche, wo er Kirchenkunstwerke gestohlen haben soll, deren materieller Wert sich aber als gering erwies. Den Schmuck aus dem Raub am Eselsberg soll das Paar in Italien verhökert haben.

Gern hätte die Staatsanwaltschaft alle vier mutmaßlichen Täter im selben Prozess vor Gericht gesehen. Doch wohin einer von ihnen geflohen ist, weiß sie nach eigenen Angaben nicht. Ob und wann Israel den anderen ausliefert, sei ungewiss: «Das Verfahren um die Auslieferung zieht sich in die Länge.»

Der Einbruch am Morgen des Dreikönigstages hatte Menschen in Ulm und Umgebung beunruhigt, die Nachricht von der Festnahme mutmaßlicher Täter wurde mit entsprechend großer Beachtung aufgenommen. Insgesamt ist die Zahl der Wohnungseinbrüche in Baden-Württemberg laut Innenministerium rückläufig. Im ersten Halbjahr 2018 habe sich der Trend fortgesetzt. Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik ging die Zahl der Wohnungseinbrüche 2017 um 24 Prozent auf 8437 Fälle zurück.

Die alte Dame, die ihren Sohn verlor - sie ist jetzt 92 -, wird das kaum trösten. In dem Prozess unterstützt sie die Staatsanwaltschaft als Nebenklägerin - allerdings nicht persönlich im Angesicht der mutmaßlichen Täter, sondern vertreten durch eine Anwältin.