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Der Dalai Lama spricht in Heidelberg für den Frieden. Weltweit müsse man gegen Krieg und Gewalt aufrufen und jede Anstrengung dafür in Kauf nehmen.

Heidelberg (dpa/lsw)Der 14. Dalai Lama präsentiert sich in Heidelberg als geistliches Oberhaupt zum Anfassen. Der religiöse Führer der Tibeter im typischen roten Gewand zeigt keinerlei Berührungsängste, posiert vor der Stadthalle mit Zaungästen für Selfies und kommt nach der Veranstaltung mit Besuchern ins Gespräch. Als er am Donnerstagmorgen unter tosendem Applaus die Bühne betritt, begrüßt er die Musiker eines Quartetts mit Handschlag und untersucht neugierig die Klarinette eines jungen Mannes.

Sein Thema für die Veranstaltung des Deutsch-Amerikanischen Instituts: Glück und Verantwortung. Dass das Glück dem Sohn einfacher Bauern immer hold war, kann man nicht behaupten. Seit rund 60 Jahren lebt er im indischen Exil. Seine Heimat hat der Sohn einfacher Bauern seit seiner Vertreibung und Flucht nie mehr wiedergesehen. Dennoch wirkt der 83-Jährige weder verbittert oder verzweifelt. Mit kleinen Anekdoten bringt er seine Zuhörer zum Lachen, oft kann er sich ein Kichern nicht verkneifen - etwa wenn er über einen Mann mit drei Frauen berichtet.

Mitgefühl trainieren

Im Umgang mit Gegnern plädiert der Tibeter für den Versuch, Gefühle - etwa den Hass - zu kontrollieren und Feind wie Freund gleich freundlich zu begegnen. «Beide wollen glücklich sein.» Dazu passt eines seiner Zitate, die die roten Luftballons vor dem Kongresshaus am Neckar schmücken. «Es gibt kein individuelles Glück, das von dem anderer ganz unabhängig wäre.»

Sein Appell an Mitgefühl und Menschlichkeit ist begleitet von der Überzeugung, diese könnten antrainiert werden. Da spiele die Schule als Vermittler von Werten eine große Rolle: So genössen eine Million Kinder in der Region um die indische Hauptstadt Neu Delhi Glücksunterricht.

Menschen nicht nach Produktivität bewerten

Der Tibeter wird in der Diskussion mit Wissenschaftlern von Altersforscher Andreas Kruse gefragt, wie man verhindern könne, dass alte und kranke Leute ins gesellschaftliche Abseits gerieten. Auch hier heißt das Zauberwort «education» - Erziehung. Diese müsse Egoismus und Materialismus einen Riegel vorschieben, damit Menschen nicht mehr nach ihrer Produktivität bewertet würden. Respekt und Verantwortungsbewusstsein der älteren Generation gegenüber zu forcieren, gehöre zu den Aufgaben der Schule - ein Beitrag zu einer glücklichen Gesellschaft.

Der Dalai Lama, der von den Chinesen als «Wolf in der Mönchskutte» verunglimpft wird, hat sich der Gewaltlosigkeit verschrieben. Im Jahr 1989 erhielt er den Friedensnobelpreis für seinen gewaltlosen Widerstand gegen die chinesische Besetzung seiner Heimat. In Heidelberg sagt er mit Blick auf die aktuellen Konflikte in Jemen, Syrien und Myanmar: «Wir müssen jede Anstrengung machen für ein friedliches 21. Jahrhundert.» Dafür reiche es nicht zu beten, sondern man müsse hart daran arbeiten. Schließlich sei die Weltgemeinschaft verbunden durch globale Wirtschaftsbeziehungen und den Klimawandel.

Flagge in Tibet verboten

Nach dem Mittagessen mit von ihm besonders geschätzten Spargel und deutschem Brot reist der Dalai Lama nach Zürich weiter. Von dem hohen Besuch in Heidelberg zeugt nur noch eine Tibetfahne auf dem Dach eines der Häuser gegenüber der Stadthalle. Wer in Tibet eine solche Flagge zeigt, wird nach Angaben der Tibet-Initiative Heidelberg sofort inhaftiert, gefoltert und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt, ohne dass ein Rechtsanwalt eingeschaltet werden darf. Gleiche Sanktionen gälten beim Besitz eines Bildes des Dalai Lama. In Deutschland leben dem Verein zufolge rund 500 Tibeter.