Winfried Hermann Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Annika Grah und Bettina Grachtrup

Stuttgart - Angesichts drohender Diesel-Fahrverbote hat sich die Autobranche in Gesprächen mit dem Landesverkehrsministerium beim Thema Nachrüstungen doch etwas bewegt. Nachdem die Hersteller technische Lösungen wochenlang so gut wie ausgeschlossen haben, seien bei dem Treffen am Mittwochabend in Stuttgart erste Wege aufgezeigt worden, wie in einem technisch und wirtschaftlich angemessenen und umsetzbaren Rahmen Fortschritte beim Schadstoffausstoß von Euro-5-Fahrzeugen grundsätzlich möglich wären. Das teilten Ministerium und Verband der Automobilindustrie (VDA) mit.

Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sprach gestern von einem guten Auftakt: „Die Branche hat einen Vorschlag gemacht, wie sie sich das vorstellen könnte. Den Vorschlag werden wir prüfen.“ Doch noch will die Industrie nicht so weit gehen wie ursprünglich von der Politik gefordert: Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur präsentierten die Hersteller eine Software-Lösung, die allerdings keine Verbesserung der Abgaswerte auf Euro 6 vorsieht. Das Ergebnis läge zwischen den Abgasnormen Euro 5 und Euro 6. Außerdem würden die Grenzwerte auf alle von der Nachrüstung betroffenen Fahrzeuge angewandt - diese müssten dann den Stickoxid-Ausstoß dieser Flotte um 50 Prozent reduzieren. Dabei soll es keine Branchenlösung geben, sondern jeder Hersteller wird seine eigene Entwicklung vorstellen.

„Ohne Berlin geht es nicht“

Verkehrsminister Hermann sagte, technische Fragen müssten noch geklärt werden. Ob die Lösung mit Software, mit Hardware oder in Kombination funktioniere, sei offen. Auch habe man noch nicht über das Thema Kostenübernahme gesprochen. CDU-Landtagsfraktionschef Wolfgang Reinhart sagte, er gehe davon aus, dass eine Nachrüstung per Software eine niedrige dreistellige Summe pro Fahrzeug kosten würde und die Hersteller bereit seien, diese Betrag selbst zu tragen.

Hintergrund der Diskussion um Nachrüstungen sind die Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge mit Abgaswerten unterhalb der neuesten Norm Euro 6, die die grün-schwarze Landesregierung von 2018 an in Stuttgart an Tagen mit hoher Luftverschmutzung verhängen will. Einig sind sich VDA und Verkehrsministerium, dass technische und regulatorische Rahmenbedingungen bundesweit geklärt werden müssten. Dazu müsse man sich zwischen Land und Bund über die notwendigen rechtliche Regelungen abstimmen. Würden Hersteller Software oder Hardware am Auto so weit verändern, dass es nicht mehr der ursprünglichen Zulassung eines Modells - der Typgenehmigung - entspräche, müsste das unter Umständen das Kraftfahrtbundesamt genehmigen. „Ohne Berlin wird es nicht gehen“, sagte Hermann.

„Branche spielt auf Zeit“

Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) sagte ebenfalls: „Allen Beteiligten ist klar, dass es einer bundesweiten Lösung bedarf.“ Auch der Fraktionschef der Grünen im Landtag, Andreas Schwarz, sagte: „Nur die Einführung einer blauen Plakette garantiert eine bundesweit einheitliche und praktikable Lösung.“ Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) lehnt die blaue Plakette aber ab. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hingegen hat Zwangsmaßnahmen nach der Bundestagswahl im September nicht mehr ausgeschlossen.

Umweltverbände warnen indes vor einem faulen Kompromiss. Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, sagte: „Was in Baden-Württemberg diskutiert wird, entfernt sich immer mehr von einer Verbesserung.“ Die Automobilbranche spiele nur auf Zeit. Die Umwelthilfe hat vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart gegen das Land geklagt, weil in der Stadt jahrelang die Grenzwerte für Stickstoffdioxid nicht eingehalten wurden. Sie verlangt, alle Dieselfahrzeuge aus der Stadt auszuschließen.