Der Angeklagte steht zwischen den Anwälten Nadine Strohmaier und Klaus Werner im Gerichtssaal im Amtsgericht Böblingen. Foto: dpa - dpa

Die ehemaligen Betreiber der Alten Vogtei in Köngen waren wegen Betrugs angezeigt worden. Das Landgericht Böblingen hat Sternekoch Lars Volbrecht und seine Frau Nadine zu Bewährungsstrafen verurteilt.

Böblingen/KöngenZwei Verhandlungstage waren nötig, um Lichts ins Dunkel zu bringen, gestern fällte das Landgericht Böblingen sein Urteil. Die beiden früheren Betreiber des seit vergangenem Sommer geschlossenen Sternelokals Alte Vogtei in Köngen kamen mit Bewährungsstrafen davon. Lars Volbrecht, 39, wurde zu einer Strafe von 22 Monaten verurteilt; seine Frau Nadine, 33, erhielt 14 Monate. Die beiden Angeklagten waren geständig, vermutlich entgingen sie deswegen der Haft.

Den Fall ins Rollen gebracht hat der Gastronom Patrick Bonomi, der in Wendlingen die Villa Behr mit Hotel und italienischem Restaurant betreibt. Bonomi hatte die Alte Vogtei vor den Volbrechts gepachtet und das Inventar des Lokals dann an die Nachfolger verkauft. Der Preis lag bei 88.000 Euro. Gesehen hat er davon bis heute nichts. Bonomi zog vor Gericht. In einem Zivilprozess erwirkte er 2017 einen Schuldtitel. Außerdem stellte er gemeinsam mit einem Lieferanten aus Reichenbach Strafanzeige wegen Betrugs. Beide traten in dem Prozess als Zeugen auf.

Bei der Unterzeichnung des Kaufvertrags habe Volbrecht seine wahre finanzielle Situation verschwiegen, sagte die Richterin. Gegenüber Bonomi hatte er vorgegeben, er erwarte Geld aus dem Verkauf eines Hauses aus einer Erbschaft. Tatsächlich stand das Elternhaus des 39-Jährigen vor der Zwangsversteigerung. „Sie wussten, dass das Haus belastet war und Sie den Kaufpreis nicht bezahlen konnten“, so die Richterin. Der Staatsanwalt forderte für den Koch zwei Jahre Haft auf Bewährung. Und für seine Ehefrau eine 22-monatige Bewährungsstrafe. Volbrecht habe eine „erbärmliche Lügengeschichte“ erzählt und alles getan, um die Sachverhalt zu verschleiern.

Zur Wahrheit hat Volbrecht offenbar generell ein eigenwilliges Verhältnis. Denn Bonomi und der Reichenbacher Geschäftsmann sind weiß Gott nicht die Einzigen, die sich von dem Koch geprellt und hinters Licht geführt fühlen. Von etwa 100 Gläubigern ist in Köngen die Rede, eine Gerichtsvollzieherin aus Nürtingen soll Dauergast in dem historischen Fachwerkhaus gewesen sein. Viel zu holen gab es nicht. Laut einer Vermögenauskunft, die Bonomi 2018 erwirkte, waren die Restaurantbetreiber mittellos. Die Zeche bezahlt haben andere, wie die Esslinger Winzerin Monika Kusterer. Sie lieferte Wein nach Köngen, blieb am Ende aber auf den Rechnung über 1500 Euro sitzen. Noch heute staunt sie über die Dreistigkeit der Wirtsleute. „Das war einfach ihre Masche“, sagt sie, „und wenn man sieht, wie lange sie damit durchkamen, verliert man den Glauben an den Rechtsstaat.“

Auch Marc Stahl gehört zu den vielen Geschädigten. Er hat den Volbrechts ein Haus in Wolfschlugen vermietet. Nach ein paar Monaten blieben die Mietzahlungen aus. Stahl nahm sich einen Anwalt und strengte eine Räumungsklage an. Im vergangenen August erfolgte die Zwangsräumung. Sein finanzieller Schaden belief sich am Ende auf einen fünfstelligen Betrag. „Show machen und die Leute blenden“, das sei Volbrechts Tour gewesen, sagt er. „So jemand gehört eingesperrt.“

Trotz der verbrannten Erde, die er bei seinem einjährigen Intermezzo in Köngen hinterließ, ließ es sich Volbrecht nicht nehmen, auch den ehrwürdigen Michelin-Verlag abzukochen. Obschon er die Alte Vogtei im August Hals über Kopf in Richtung Schweiz verlassen hatte, gaukelte er den Michelin-Leuten vor, das Lokal in Köngen sei wegen eines Schimmelschadens nur vorübergehend geschlossen und werde nach der Sanierung von ihm weiter geführt. Prompt tauchte Volbrecht Ende Februar bei der alljährlichen Michelin-Veranstaltung in Berlin auf und nahm den Stern für die Alte Vogtei entgegen. Inzwischen, sagt er, habe er ihn zurückgegeben.

Im Schweizer Kanton Graubünden will Volbrecht einen Neuanfang machen. Nach einer Zwischenstation in einem Bergrestaurant am Hochwang – auch dort soll es Unstimmigkeiten gegeben haben – will er im Mai ein Feinschmeckerlokal in Chur eröffnen. Nach einschlägigen Medienberichten – „Deutscher Schulden-Koch flüchtet nach Graubünden“, so titelte das Boulevardblatt „Blick“ – kennt die halbe Schweiz die saftige Hochstapler-Geschichte aus der Gourmet-Szene mit Volbrecht in der Hauptrolle.

Vor Gericht beteuerte Volbrecht gestern, er und seine Frau seien nicht in die Schweiz geflüchtet, um sich abzusetzen. Sie seien daran interessiert, die Schulden abzuzahlen. Da hat er viel vor.