Von Hermann Neu

Stuttgart - Nein ein „Automobilgipfel“ sollte es nicht werden. So viel Showeffekt hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann noch zu Wochenbeginn weit von sich gewiesen. Doch wie man es auch nennt: Das Treffen zur Zukunft der Automobilwirtschaft und generell zur Mobilität hat gestern bundesweit Beachtung gefunden. Ordentlich orchestriert war die Veranstaltung im Neuen Schloss in Stuttgart ohnehin. Samt Interview, in dem der erste Grünen-Ministerpräsident der Republik etwa Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt von der CSU in Sachen Fahrverbote und Blaue Plakette für besonders schadstoffarme Diesel nochmals ordentlich die Leviten liest.

Etwas unter die Räder gekommen ist das verkehrspolitische Thema, das die Menschen in der Region wohl am stärksten beschäftigt, dafür beim Strategiedialog: Die drohenden Fahrverbote an den besonders belasteten Ecken der Landeshauptstadt Stuttgart waren nur ein „Randthema“, berichtet Kretschmann.

Nach dem mehrstündigen Gespräch wird der Regierungschef nicht müde, den Ernst der Lage darzustellen. Schon am Dienstag in der Regierungspressekonferenz hatte er klargemacht, dass ähnlich gelagerte Debatten über die zukünftigen Mobilitätsformen ja „auf der ganzen Welt“ stattfinden. „Halbdikaturen werfen da Milliarden rein“, unkte der Regierungschef - klar ist, wer gemeint war: In China mit seiner massiven Smogbelastung in den Metropolen ist der Übergang zur Elektromobilität wie auch in Indien ein Stück weit Überlebensfrage - wenn es denn gleichzeitig gelingt, den Strom für die Batterien der Elektroautos in anderen Anlagen als in giftspuckenden Kohlekraftwerken zu erzeugen.

Wandel „in rasendem Tempo“

Doch der Dialog in Stuttgart geht über die reine Elektromobilität weit hinaus. Autonomes Fahren, die Vernetzung der verschiedenen Verkehrsträger von Auto, Bus und Bahn bis hin zum Fahrrad - das sind die Themen. „Wir können es nur gemeinsam stemmen“, ist Kretschmann überzeugt. Sein Ziel: Die Mobilität der Zukunft muss „made in Germany, made in Baden-Württemberg“ sein. Und die Zeit drängt: „Wir müssen schnell und zielführend sein“, fordert der Ministerpräsident im Kreise der Top-Manager von Daimler-Chef Dieter Zetsche bis Bosch-Chef Volkmar Denner. Den Jargon der Manager hat Altsprachler Kretschmann schon aufgesogen. Inzwischen kommt ihm beispielsweise das Wort „committen“ wie selbstverständlich und gleich mehrfach über die Zunge.

Der Wandel laufe schließlich „in rasendem Tempo“, sagt der Ministerpräsident. Es werde auch „zu Reibungen kommen“, ist sich Kretschmann sicher, Reibungsverluste allerdings müsse man vermeiden. Was nun konkret auf der Agenda stehen soll, das ist bisher allenfalls in Umrissen erkennbar. Ein schlankes Gremium soll die Anregungen des Strategiedialogs aufgreifen. Und die Landesregierung hat eine interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet.

Die Topmanager greifen den Ball auf. Eine wirkliche Diskussion habe es wegen der Größe des Strategiedialogs zwar nicht gegeben, erklärt Daimler-Chef Dieter Zetsche. Er habe aber „viele Perspektiven gehört“. Die Industrie müsse „treibende Kraft“ sein bei der Umstellung auf die Mobilität der Zukunft, „das wollen wir auch“. Die Gesellschaft sei „gut beraten, auf die Innovationskraft der Unternehmen zu Vertrauen“. So investiere Daimler allein zehn Milliarden in die Elektromobilität. Der Verbrennungsmotor aber wird so schnell nicht verschwinden - darüber sind sich Kretschmann und Zetsche einig. Am Ende aber werden irgendwann Elektroantriebe oder Brennstoffzellentechnik stehen. Zur Wahrheit gehöre dann auch die Frage der Jobs, sagt Zetsche. „Heizer auf der E-Lok“ - wie es die kampferprobten britischen Gewerkschaften einstens bei der Ablösung der Dampfzüge durchgesetzt hatten - werde es nicht geben.

SPD nennt Dialog überfällig

Bei der Opposition ist die Zustimmung nicht ungeschmälert. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch bemängelt, zuerst löse die grün-schwarze Regierungskoalition mit Fahrverboten „Alarm bei den Autobauern aus“, um nun bei einer Gipfel-Inszenierung „die Scherben einzusammeln“. Das sei ein „verantwortungsloser Politikstil.“ Den Dialog mit den Beteiligten aber nennt Stoch „überfällig“. Etwa wenn es um „eine ideologisch geleitete Diskussion um Fahrverbote und den verfrühten Abgesang auf den Verbrennungsmotor“ gehe. Im beginnenden Dialog müssten die Grünen unter Beweis stellen, „dass sie nicht länger einen tiefen Argwohn gegen das Automobil und die Autobauer im Land zu pflegen gedenken“. „Das war leider das, was ich erwartete habe: eine Abfolge von Statements der Automobilwirtschaft und der Politik“, sagt BUND-Landeschefin Brigitte Dahlbender der „Heilbronner Stimme“ und dem „Mannheimer Morgen“