Von Julia Giertz

Stuttgart - Ein einstmals sehr aktiver Rechter hat vor dem NSU-Untersuchungsausschuss in Stuttgart seine Entwicklung zum passiven „Schläfer“ geschildert. Das frühere Mitglied der Jungen Union (JU), danach Republikaner und einstiger Auftragnehmer der DVU beschrieb im Landtag seine Bemühungen, eine Partei rechts der Mitte zu gründen. Der Steuerberater rief nach eigenen Worten mehrere rechte Organisationen wie Freiheitliche Initiative und Nationales Bündnis Heilbronn ins Leben, war in einer Burschenschaft und in einer rechten Hochschulgruppe engagiert. Er bestritt aber, zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) und dessen Umfeld Kontakte gehabt zu haben. Auch der in München als Unterstützer des NSU angeklagte Ralf Wohlleben sei ihm nicht persönlich bekannt.

Der Ausschuss geht der Frage nach, welche Verbindungen des NSU zu Baden-Württemberg bestanden und ob es hier möglicherweise Helfer und Unterstützer gab. Den Rechtsterroristen werden zehn Morde zugerechnet - an neun Migranten und an der Polizistin Michèle Kiesewetter am 25. April 2007 in Heilbronn.

Der 49-jährige Heilbronner erzählte im Landtag, er habe bis zum Auffliegen der Gruppe Ende 2011 nichts von deren Existenz gewusst. Er sei selbst überrascht gewesen und habe die Mitglieder der Terrorgruppe auch nie gesehen. Er schilderte die rechte Szene als loses Netzwerk, das durch alkoholreiche Partys und rechte Musik zusammengehalten wurde. Er sei aber seit Mitte der 90er Jahre politisch nicht mehr aktiv und halte sich am liebsten in seinen vier Wänden auf. „Selbst die größten Revolutionäre werden irgendwann mal müde.“ Grünen-Obmann Jürgen Filius sagte, es „schaudere“ ihn angesichts des Rechts-Außen-Mannes im bürgerlichen Kleid.

NSU-Ausschüsse gibt es laut dem Chef des Stuttgarter Gremiums, Wolfgang Drexler (SPD), derzeit noch in Thüringen, Brandenburg und Hessen. Nach dem bereits aufgelösten Ausschuss des Bundestages, der den Gesamtkomplex beleuchtete, konzentriert sich nur noch der Stuttgarter Ausschuss auf den Mord an der Polizistin Kiesewetter. Das Gremium soll im Sommer 2018 seine öffentliche Beweisaufnahme abschließen und im Oktober 2018 einen Abschlussbericht vorlegen.

Eine Beamtin des Landeskriminalamtes (LKA) äußerte sich zur Bearbeitung von Telefondaten aus Funkzellen im Bereich des Heilbronner Tatortes. Sie schilderte, dass die Auswertung von Treffern beim Abgleich dieser Telefondaten mit internationalen Daten zu lange gebraucht habe. Die Heilbronner Polizei sei zu lange der Spur einer vermeintlichen Serientäterin nachgegangen. Auch als sich herausgestellt hatte, dass die Spur von verunreinigten Wattestäbchen herrührte, habe es zwei Jahre gedauert, bis man den Daten wieder Aufmerksamkeit geschenkt habe, kritisierte Drexler. Nach den Worten der Kriminalhauptkommissarin des LKA ist aus heutiger Sicht der Ermittlungsansatz der Fahnder zu eng gefasst worden. Mögliche rechtsextremistische Motive seien zu wenig beachtet worden.

Der Ausschuss beschäftigte sich erneut mit der Frage, ob es Verbindungen zwischen dem Ku-Klux-Klan (KKK) und dem NSU gab. Der Europachef der „United Northern and Southern knights of the KKK“ aus Schwäbisch Hall betonte, seine Organisation mit acht Mitgliedern grenze sich klar gegen den Nationalsozialismus ab; man lege großen Wert auf Brüderlichkeit, Zusammenhalt, gegenseitige Hilfe und teile die Ansicht, dass man die eigene Rasse über andere stelle. Der kräftige Mann mit Irokesen-Schnitt sieht seinen Verband dennoch im Einklang mit dem Grundgesetz. Der Gruppenführer der Polizistin Kiesewetter war zeitweise Mitglied in einem KKK-Ableger.