Der Esslinger Kreistag beschließt 1980, bei Sirnau eine zentrale Müllverbrennungsanlage zu errichten. Die Proteste dauern mehrere Jahre an. Foto: EZ-Archiv - EZ-Archiv

EZ-Jubiläumsserie „Zeit in der Zeitung“: 1980 erreichen die politischen Beziehungen zwischen Ost und West einen Tiefpunkt, die Grünen gründen eine Partei .

EsslingenIm Januar 1980 konstituiert sich die im Vorjahr gegründete Vereinigung von Umwelt-, Anti-Atom- und Friedensinitiativen unter dem Namen „Die Grünen“ als bundesweite Partei. Im März wird die politische Ausrichtung mit den Begriffen „ökologisch, basisdemokratisch, sozial, gewaltfrei“ definiert. Petra Kelly, August Haußleiter und Norbert Mann werden zur Parteiführung gewählt.

Auch die nichtorganisierte Umweltbewegung bleibt aktiv. Im Mai besetzen 5000 Aktivisten das Gelände der geplanten Atommülldeponie bei Gorleben und errichten ein Hüttendorf. Die „Freie Republik Wendland“ wird wenige Wochen später von der Polizei geräumt.

Die von der US-Regierung in Auftrag gegebene Studie „Global 2000“ gibt der Umweltbewegung weiteren Auftrieb. Darin prognostizieren Wissenschaftler eine wachsende Ausbeutung der Ressourcen und bedrohliche Umweltzerstörungen.

Im April erleidet die amerikanische Politik eine schmachvolle Niederlage. Bei einer dilettantisch geplanten militärischen Aktion zur Befreiung der Geiseln in der amerikanischen Botschaft in Teheran kommen acht Menschen ums Leben. Das Scheitern der Aktion trägt mit dazu bei, dass Präsident Jimmy Carter die Wahlen im Herbst gegen den früheren Schauspieler und Gouverneur von Kalifornien Ronald Reagan verliert.

Israel und Ägypten legen ihre Feindseligkeiten bei. Als Zeichen einer friedlichen Koexistenz werden die Grenzen offiziell geöffnet. Irans Nachbar Irak hingegen setzt auf eine militärische Lösung von Grenzstreitigkeiten und bricht einen acht Jahre andauernden Krieg gegen den Iran vom Zaun.

Die USA und die UdSSR nehmen Gespräche über eine Begrenzung ihrer Mittelstreckenraketen in Europa (Intermediate Nuclear Forces/INF) auf, doch die Ost-West-Beziehungen steuern auf einen neuen Tiefpunkt zu. Nach dem Einmarsch von Truppen der UdSSR in Afghanistan boykottieren etliche westliche Staaten die Olympischen Spiele in Moskau, Bundeskanzler Helmut Schmidt sagt einen Besuch in der DDR ab. Die Eßlinger Zeitung sieht einen „weltpolitischen Klimasturz“, eine „neue Eiszeit in den Beziehungen der Supermächte“ und die „gefährliche Nähe eines neuen kalten Krieges“.

Im Warschauer Pakt tun sich Risse auf. Nach Streiks und Demonstrationen von Werftarbeitern für politische und wirtschaftliche Reformen in Danzig kommt die Regierung dem Verhandlungsführer der Streikenden, Lech Walesa, entgegen. Die Regierung gesteht Streikrecht und das Recht zur Gründung unabhängiger Gewerkschaften zu. Daraufhin wird die Gewerkschaft Solidarnosc gegründet.

Auch im Landkreis Esslingen regt sich bürgerlicher Unmut. Die Menge des Mülls im Kreis wächst seit Jahren, die Deponien kommen an ihre Grenzen. Der Kreistag beschließt daher im Juli, nahe des Esslinger Stadtteils Sirnau eine zentrale Müllverbrennungsanlage zu errichten. Der Widerstand der Bürger ist groß. Wie die Eßlinger Zeitung berichtet, kündigen mehrere Initiativen an, dass „gegen das Projekt im ohnehin stark belasteten Neckartal alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft werden sollen“. Es dauert etliche Jahre, bis die Pläne ad acta gelegt werden.