1969 feiern 7000 Besucher bei einem Festival auf der Esslinger Burg. Foto: EZ-Archiv - EZ-Archiv

1969 landete Neil Armstrong als erster Mensch auf dem Mond. Willy Brandt leitete die Entspannungspolitik gegenüber dem Ostblock ein. Und während Woodstock einen Besucherrekord verzeichnete, wurde in Esslingen das Burgfestival aus der Taufe gehoben.

EsslingenIm Januar 1969 wird Richard Nixon Nachfolger von Lyndon B. Johnson als Präsident der USA. Er war mit dem Versprechen angetreten, den Vietnamkrieg mit Verhandlungen zu beenden. Im Lauf des Jahres werden 85 000 Soldaten abgezogen, gleichzeitig jedoch weiten die USA den Krieg auf Laos und Kambodscha aus, Nixon droht Nordvietnam mit dem Einsatz von Atombomben. Der Widerstand gegen die amerikanische Politik nimmt zu. Bei Massendemonstrationen in den USA protestieren Millionen von Menschen gegen den Vietnamkrieg.

In Europa stehen die Zeichen auf Entspannung. Im März schlagen die Staaten des Warschauer-Pakts die Einrichtung einer Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) vor. Im April tritt der französische Staatspräsident Charles de Gaulle zurück. Sein Nachfolger wird Georges Pompidou, die atmosphärischen Störungen im deutsch-französischen Verhältnis nehmen ab.

Nach der Bundestagswahl im September wird Willy Brandt (SPD) Bundeskanzler, der FDP-Politiker Walter Scheel wird Außenminister. Die neue Regierung leitet eine Wende in der Außenpolitik ein. Brandt signalisiert den Wunsch nach Verhandlungen mit der DDR auf der Ebene zweier Staaten. Im November bietet die Bundesregierung Polen Verhandlungen ohne Vorbedingungen an. Die Aussöhnung mit Osteuropa nimmt Gestalt an.

Im Juli erzielen die USA einen technologischen Sensationserfolg. Etwa 100 Stunden nach dem Start landen die Astronauten Neil Armstrong und Edwin Aldrin mit der Fähre „Eagle“ auf dem Mond. Hunderte Millionen Fernsehzuschauer verfolgen weltweit, wie Armstrong als erster Mensch die Mondoberfläche betritt und dies mit dem Satz „Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein großer Sprung für die Menschheit“ begleitet.

Auch die Eßlinger Zeitung wird von der allgemeinen Euphorie erfasst und kommentiert das Geschehen gleichermaßen kryptisch wie schwärmerisch: „Nur ahnen können wir selbst, was ‚hinter’ diesem Experiment steckt, menschliche Leistungen durch die Geschichte. Etwas Über-Menschliches ist Dokument.“

Die amerikanischen jugendkulturellen Bewegungen und alternativen Lebensentwürfe sind stilprägend, unterliegen jedoch immer stärkerer Kommerzialisierung. Mit dem Versprechen auf drei Tage Frieden und Musik wirbt etwa das Woodstock-Festival nahe der Stadt Bethel im amerikanischen Bundesstaat New York, zu dem statt der erwarteten 60 000 Besucher rund eine halbe Million junger Menschen kommen.

Mit 7000 Besuchern deutlich eine Nummer kleiner, jedoch von einem ähnlichen Geist des friedlichen Miteinanders bewegt, kommt das Burgfestival in Esslingen daher. „Bei uns gibt’s seriöse Herren mit grauen Schläfen, miniberockte junge Damen, Pfadfinder und Langmähnige, und die können einen ganzen Abend miteinander feiern, miteinander sich begeistern und vielleicht sogar einander verstehen. Omas lauschten Beatklängen, randlose Brillenträger akzeptierten klassische Musik“, freut sich die Eßlinger Zeitung.

Mit „ein klein wenig Eigenlob verbunden“ berichtet die EZ, dass die Idee zum Festival von dem jungen Redakteur Bernd Daferner ausgegangen war, der einer Besuchergruppe aus Esslingens amerikanischer Partnerstadt Sheboygan „eine Begegnung mit einer möglichst breiten Esslinger Öffentlichkeit ermöglichen“ wollte. Der Erfolg des Festivals sei auch ein „Appell von Tausenden geworden, die Ansätze zur ‚Aufwertung der Burg’ jetzt aber wirklich tatkräftig voranzutreiben“.