Beuren baut 1976 ein Thermalbad und fördert den Tourismus. Foto: EZ-Archiv - EZ-Archiv

Die Jubiläumsserie „Zeit in der Zeitung“ widmet sich heute dem Jahr 1976. Der Widerstand gegen die Atomkraft, die Wiederwahl von Bundeskanzler Helmut Schmidt und das neue Thermalbad in Beuren zählten damals zu den großen Themen.

Kreis EsslingenIm Jahr 1976 bringt der Bundestag einige wichtige Gesetze auf den Weg. Mit einem neuen Jugendarbeitsschutzgesetz werden die Fünftagewoche, der Achtstundentag und die 40-Stunden-Woche für Jugendliche eingeführt. Das Mitbestimmungsgesetz sichert Arbeitnehmern in Unternehmen mit mehr als 2000 Beschäftigten mehr Mitspracherecht zu. Das Hochschulrahmengesetz regelt bundeseinheitlich die studentische Mitbestimmung. Mit einem neuen Eherecht werden Scheidungen nicht mehr nach dem Schuld-, sondern nach dem Zerrüttungsprinzip entschieden.

Die Bedrohung der inneren Sicherheit durch terroristische Gewalt schlägt sich in der Gesetzgebung nieder. Künftig werden „die verfassungsfeindliche Befürwortung von Gewalt sowie die Verbreitung und der Bezug von Schriften, die Straftaten befürworten“ unter Strafe gestellt. Auch die „Bildung terroristischer Vereinigungen“ gilt nun als Straftatbestand. Im Mai wird das mutmaßliche RAF-Gründungsmitglied Ulrike Meinhof tot in ihrer Gefängniszelle gefunden. Die Erklärung, dass es sich um Suizid gehandelt habe, wird in der Bundesrepublik und international angezweifelt. In mehreren Ländern kommt es zu teilweise gewalttätigen Protesten.

Die USA und die UdSSR einigen sich auf eine Begrenzung unterirdischer Atombombentests und Kontrollmechanismen für unterirdische zivile Atomtests. Die zivile Nutzung der Atomenergie stößt in der Bundesrepublik auf starken Widerstand. Bei Brokdorf an der Elbe in Schleswig-Holstein finden Demonstrationen gegen den Bau eines Atomkraftwerks statt. Dabei kommt es zu teilweise brutalen Polizeieinsätzen gegen Atomkraftgegner.

Bei der Bundestagswahl im Oktober 1976 legt die CDU/CSU um einige Prozentpunkte zu, die SPD verzeichnet dagegen einen Stimmenrückgang. Dennoch reicht es zu einer erneuten Koalitionsregierung mit der FDP, Helmut Schmidt wird wieder zum Bundeskanzler gewählt. Der bisherige rheinland-pfälzische Ministerpräsident und CDU-Kanzlerkandidat Helmut Kohl wird Oppositionsführer im Bundestag.

Im Wahlkreis Esslingen nimmt der junge CDU-Politiker Gerd Langguth dem parlamentarischen Staatssekretär Volker Hauff (SPD) das Direktmandat ab. Auch in anderen Wahlkreisen setzen sich konservative Jungpolitiker durch. Die Eßlinger Zeitung erkennt darin die Quittung für eine verfehlte Gesellschaftspolitik. „Man kann den Menschen mit verfrühter Partnerschaft auch überfordern. Der junge Mensch hat vor allem ein Recht darauf, auf die Grenzen seiner Möglichkeiten aufmerksam gemacht zu werden. Rechtzeitig und deutlich. Der junge Mensch will keine fordernden Theorien mehr, er will Leitbilder“, kommentiert die Zeitung. Daran mangle es allen Parteien, auch die CDU bleibe „ein überzeugendes konservatives Weltbild schuldig“.

Die Kommunen im Landkreis Esslingen erkennen nach und nach ihre kulturellen und landschaftlichen Reize und deren touristisches Potenzial. Ein Vorreiter ist die Gemeinde Beuren. Dort werden heißes Mineralwasser erbohrt und ein Thermalbad errichtet. Die Gemeinde erhält das Prädikat „staatlich anerkannter Erholungsort“ und beginnt mit der Vermarktung. „Das Dorf am Albrand soll ein Kurort werden“, berichtet die Eßlinger Zeitung. Das Thermalbad soll daher „nicht nur ein Passantenbad“ sein. „Der Ort soll auch von Erholungssuchenden frequentiert werden, die länger als einen Nachmittag bleiben. 200 Fremdenbetten stehen heute zur Verfügung“.