Der Bauboom in Esslingen hält an. In der Pliensauvorstadt werden die ersten Wohnhochhäuser bezogen. Foto: Stadtarchiv Esslingen - Stadtarchiv Esslingen

1956 besiegelte ein Vertrag mit Frankreich die Eingliederung des Saarlands in die BRD und in Esslingen setzte sich der Bauboom in der Pliensauvorstadt fort.

Kreis EsslingenNachdem der Aufbau einer bundesdeutschen Armee im Vorjahr beschlossen worden war, wird im Juli 1956 ein Wehrpflichtgesetz verabschiedet. Die Bundeswehr wird zur Pflichtarmee und Franz Josef Strauß Verteidigungsminister. Die DDR zieht nach und beschließt den Aufbau einer Nationalen Volksarmee, Verteidigungsminister wird Willi Stoph.

In Europa wird die Frage der zivilen und militärischen Nutzung der Atomenergie diskutiert. Bundeskanzler Konrad Adenauer wendet sich gegen die geplante atomare Aufrüstung der US-Streitkräfte. Die USA und die Bundesrepublik schließen allerdings ein Abkommen über die friedliche Nutzung der Atomenergie, im Oktober beraten die Staaten der Montanunion über die Bildung einer europäischen Atomgemeinschaft.

Auch ein gemeinsamer europäischer Markt steht zur Diskussion. Überdies werden die Grenzen für eine, allerdings kontingentierte, Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte durchlässiger. Im Januar kommen die ersten Gastarbeiter aus Italien nach Deutschland. Auch in Esslingen werden dringend Arbeitskräfte gesucht, nicht zuletzt in der Baubranche. Nach wie vor leidet die Stadt unter einem großen Wohnungsmangel, auf dem Zollberg wird weiter mit Hochdruck gebaut, in der Pliensauvorstadt ziehen die Bewohner in die ersten fertiggestellten Hochhäuser ein.

Im Oktober schließen die Bundesrepublik und Frankreich nach einer Volksabstimmung einen Vertrag zur Eingliederung des Saarlands in die Bundesrepublik Deutschland. Das Saarland war seit Kriegsende teilautonom, ab 1954 in Zoll- und Währungsunion mit Frankreich. 1957 wird das Saarland das zehnte Bundesland, die volle wirtschaftliche Eingliederung folgt 1960. Der reibungslose Ablauf wird als entscheidend für die deutsch-französische Aussöhnung betrachtet.

Angelehnt an die politische Liberalisierung in der Sowjetunion nach dem Tod des Diktators Stalin wagen Reformkommunisten in Ungarn im Oktober einen Aufstand. Die Regierung wird abgesetzt, der Austritt aus dem Warschauer Pakt und die Neutralität des Landes werden verkündet. Die Sowjetunion reagiert mit eiserner Faust, Truppen marschieren mit Panzern in der Hauptstadt Budapest ein, schlagen den Aufstand nieder und beenden den Versuch einer Demokratisierung.

Fast zeitgleich greift die israelische Armee Ägypten an und besetzt die Sinai-Halbinsel. Großbritannien und Frankreich bombardieren ägyptische Flughäfen und Schiffe. Die drei Staaten hatten ein Abkommen zur Besetzung des Suezkanals geschlossen, der unter britisch-französischer Verwaltung stand, aber von Ägypten verstaatlicht worden war. Auf Druck der USA und nach militärischen Drohungen der Sowjetunion ziehen sich die Truppen wieder zurück. Die Suez-Krise führt in ganz Westeuropa in den Bevölkerungen zu Versorgungsängsten und Hamsterkäufen. „Wie hungrige Hyänen stürzten sich Frauen auf die Regale und rissen die vorhandenen Waren an sich. Eine abscheuliche Augenweide war es für diejenigen, die nüchternen Geistes geblieben waren“, zitiert die Eßlinger Zeitung eine drastische Schilderung der in Zürich erscheinenden Zeitung „Die Tat“. Dies alles sei in Esslingen jedoch nicht zu beobachten gewesen, denn „es wurden weder Oel noch Zucker, Haferflocken und Mehl, weder Benzin noch Strümpfe in abnormen Mengen gekauft! Oder...?“. Ob der Autor mit der Frage am Ende dann doch Zweifel ausdrückt, muss offen bleiben.

Zumindest warme Kleidung ist noch vom sehr frostigen Winter her vorhanden. Im Januar herrschen in Süddeutschland die tiefsten Temperaturen seit dem Rekordwinter 1929. Am Eisberg werden minus 25 Grad, in Hegensberg minus 23 Grad gemessen. Wasserleitungen frieren ein, Züge haben bis zu sechs Stunden Verspätung und die Kinder haben schulfrei, „zur Ausübung des Wintersports“.