150 Jahre jung: Mit neuem Gesicht rattert die EZ gleich zu Beginn des Jubiläumsjahrs aus der Druckmaschine. Foto: Bulgrin - Bulgrin

1868 brachten Jakob Ferdinand Schreiber und Otto Bechtle die erste Tageszeitung in der damals führenden Industriestadt Württembergs heraus.

Esslingen - Zugegeben: Gegen die „Acta diurna“, die Julius Cäsar ab 59 vor Christus täglich in Rom herausgab, kommt die „Eßlinger Zeitung“ mit ihren zarten 150 Jahren nicht an. Auch die erste deutsche Tageszeitung, ab 1650 in Leipzig erschienen, hat zwei Jahrhunderte mehr auf dem Buckel. Aber dafür erscheint die EZ heute noch. Freilich zählt sie auch im gegenwärtigen Presse-Zoo – anders als die „Wiener Zeitung“ (gegründet 1703), die „Hildesheimer Allgemeine Zeitung“ (1705), die „Neue Zürcher Zeitung“ (1780) oder Londoner „Times“ (1788) – nicht zu den überlebenden Dinosauriern.

Reger Unternehmergeist

Ehrlich gesagt trat die EZ sogar recht spät auf den Plan: Während um die Mitte des 19. Jahrhunderts in und um Stuttgart bereits etliche Tagespostillen Laut gaben, herrschte diesbezüglich Schweigen ausgerechnet in jener Stadt, die als industrielle Lokomotive, als führender Wirtschaftsstandort des Landes gelten durfte: in Esslingen. Jakob Ferdinand Schreiber, Gründer des bekannten Kinderbuchverlags, und sein aus Ravensburg stammender Angestellter, der Buchdrucker Otto Bechtle, Wahlesslinger seit 1865, erkannten das als klares Manko. 1868 schritten sie mit regem Unternehmergeist und journalistischem Faible zur Tat: Am 25. April brachten sie die Nullnummer der „Eßlinger Zeitung“ heraus.

150 Jahre EZ: Der runde Geburtstag ist ein Anlass, den wir gebührend feiern wollen. Zunächst mit einer Serie, deren Auftakt unten auf dieser Seite zu lesen ist: Bis Ende 2018 porträtieren die einzelnen Folgen in chronologischer Reihe sämtliche Erscheinungsjahre der EZ. Das lokale und das Weltgeschehen passieren Revue – aus der Perspektive der damals in unserer Zeitung veröffentlichten Artikel. Selbstverständlich finden zum Jubiläum auch Veranstaltungen statt: ein großer Festakt im Neckar Forum und ein Tag der offenen Tür im Bechtle-Verlagsgebäude im Industriegebiet Neckarwiesen (siehe Info-Text auf dieser Seite). Weitere Aktionen sind in Planung. Publizistischer Höhepunkt ist eine Jubiläumsbeilage unserer Zeitung, die selbstverständlich am 25. April erscheint – exakt 150 Jahre nach der EZ-Nullnummer. Die Redaktion und die Verlagsabteilungen werden in der Beilage vorgestellt, unsere Leserinnen und Leser kommen zu Wort, die Städte und Gemeinden unseres Verbreitungsgebiets werden präsentiert. Themen sind aber auch die Zukunft des Mediums Tageszeitung, natürlich die Historie von Stadt und Kreis Esslingen sowie der Weg der „Eßlinger Zeitung“ und des Bechtle Verlags durch anderthalb Jahrhunderte bewegter Geschichte.

Doch nicht nur die EZ, auch die Druckerei des Bechtle Verlags feiert 2018 ihr 150-jähriges Jubiläum. Bereits im Oktober 1868 trennten sich Otto Bechtle und Schreiber. Bechtle erwarb zusammen mit dem Druckereibesitzer Matthias Linsenmann die Verlagsrechte an der „Eßlinger Zeitung“ und wurde Teilhaber des gemeinsamen Betriebs. Fortan etablierte Bechtle die EZ als unabhängige Stimme – ab 1870 als verantwortlicher Redakteur, ab 1872 als alleiniger Inhaber von Zeitung und Druckerei, ab den 1880er-Jahren gegen die nunmehr erwachte Konkurrenz. Nicht weniger als vier Tageszeitungen gab es in jener Gründerzeit in Esslingen: neben der EZ das „Eßlinger Wochenblatt“, den „Eßlinger Anzeiger“ und den konservativen „Bürgerfreund“. Überlebt hat nur die EZ – mit einer bürgerlichen Ausrichtung, aber auch einem ausgeprägten Gespür für die sozialen Belange in der Industriestadt. An dieser Linie hielt Otto Bechtles Sohn Richard fest.

Der Bechtle Verlag und die „Eßlinger Zeitung“ waren längst ein publizistisch eigenständiges, unternehmerisch fortschrittliches Familienunternehmen, als 1933 die Nationalsozialisten die Macht übernahmen. Sie unterstellten die EZ der „NS-Presse Württemberg“, die Familie Bechtle wurde enteignet, Richard Bechtle erhielt Berufsverbot. Aufbruch in die Moderne

Mit seinem Sohn Otto Wolfgang Bechtle startete nach dem Krieg die dritte Generation in die wiedererlangte Selbstständigkeit. 1949 erhielt die EZ als eine der ersten Tageszeitungen Württembergs von den Besatzungsbehörden eine Lizenz, doch Otto Wolfgang Bechtle hegte noch andere verlegerische Ambitionen: Im selben Jahr rief er den Bechtle-Buchverlag ins Leben, der unter dem Lektor Kurt Leonhard zu einem Kristallisationspunkt der Nachkriegsavantgarde avancierte – mit Autoren wie Helmut Heißenbüttel, Peter Härtling oder Johannes Poethen.

Den Aufbruch in die unternehmerische Moderne ging Otto Wolfgang Bechtle zusammen mit seinen Brüdern Richard (bis Anfang der 70er-Jahre) und Friedrich (bis 1994) konsequent an. 1963 erfolgte der Umzug vom alten EZ-Haus am Esslinger Marktplatz ins Druckzentrum in den Neckarwiesen. Das Stammdomizil musste alsbald dem Ringstraßenbau weichen, mit der Lokalredaktion blieb aber ein Standbein im Neubau am Marktplatz. In der Zentrale im Industriegebiet entstand ein innovatives Medienhaus, wo neben der EZ sowie verschiedenen externen Aufträgen seit nunmehr 55 Jahren für den Axel Springer Verlag die „Bild Zeitung“ und die „Bild am Sonntag“ für den Südwesten Deutschlands gedruckt werden.

Mitte der 90er-Jahre folgte Christine Bechtle-Kobarg ihrem Vater Otto Wolfgang Bechtle in der Führung des Unternehmens nach. Heute ist sie die Herausgeberin der EZ.

Veranstaltungen und Aktionen zum runden EZ-Geburtstag

Zu einem Tag der offenen Tür lädt die EZ ihre Leserinnen und Leser am Sonntag, 22. April 2018, im Rahmen des Neckarwiesenfestes statt. Das Bechtle-Verlagshaus im Industriegebiet Oberesslingen-Zell (Zeppelinstraße 116) öffnet seine Pforten. Alle Abteilungen der Eßlinger Zeitung und die Tochterfirmen von Bechtle stellen sich vor. Mit einem Festakt am 25. April im Neckar Forum feiert die „Eßlinger Zeitung“ ihr 150-jähriges Bestehen. Zu den Rednern zählen Ministerpräsident Winfried Kretschmann sowie Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE und Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger. Weitere Veranstaltungen und Aktionen im Laufe des Jubiläumsjahrs 2018 sind in Planung. Unter anderem wird es für die Abonnentinnen und Abonnenten der EZ Vergünstigungen bei diversen Anlässen und Kultur-Events geben. Geplant sind auch spezielle Veranstaltungen zur Geschichte der EZ und des Bechtle Verlags. Über die Termine wird rechtzeitig in der EZ informiert. Die Jubiläumsbeilage wird am 25. April 2018 veröffentlicht. Sie liegt der EZ-Ausgabe bei, geht also allen unseren Leserinnen und Lesern zu. Die Beilage schlägt einen Bogen von der Historie zur Gegenwart der „Eßlinger Zeitung“ und des Bechtle Verlags, der Stadt und des Landkreises Esslingen.