Das Esslinger Theater – das Bild wurde um das Jahr 1900 aufgenommen – bietet unterhaltsame Ablenkung vom Alltag. Foto: Stadtarchiv Esslingen - Stadtarchiv Esslingen

Die Stadt Esslingen befindet sich im Jahr 1881 in einer Zeit des technologischen Umbruchs. Da die wirtschaftlichen Verhältnisse stagnieren, werden Möglichkeiten diskutiert, diese zu verbessern. Gut bestimmt ist es dafür um das kulturelle Leben der Stadt, hier bietet vor allem das Esslinger Theater attraktive Vorführungen.

EsslingenFrankreich und Großbritannien unterstreichen 1881 mit der Besetzung großer Gebiete in Afrika ihre Ansprüche als Großmächte. Das Deutsche Reich, Österreich und Russland antworten mit einer Erneuerung des 1873 geschlossenen „Dreikaiserbündnisses“ und verpflichten sich zu „wohlwollender Neutralität“ bei einem Angriff von vierter Seite. Besonders für Russland ist dieses Bündnis von erheblicher Bedeutung, da es sich in einer schweren innenpolitischen Krise befindet. Sie wird mit einem Bombenattentat einer anarchistischen Gruppe auf Zar Alexander II. im März deutlich, der dabei ums Leben kommt.

Reichskanzler Otto von Bismarck scheitert im Reichstag mit einem ersten Versuch, eine Sozialgesetzgebung auf den Weg zu bringen. Die Reichstagswahl im Oktober schwächt seine Position weiter, denn die Konservativen verzeichnen erhebliche Verluste. Im Wahlkreis Esslingen, Nürtingen, Kirchheim, Urach wird der Stuttgarter Zigarrenfabrikant Gustav Albert Reiniger von der konservativen Deutschen Reichspartei gewählt.

Das Jahr 1881 wird von technologischen Innovationen geprägt. Im Mai wird in Lichterfelde bei Berlin die erste elektrische Straßenbahn der Welt in Betrieb genommen. Auf der internationalen Elektrizitätsausstellung in Paris im August präsentiert Thomas Alva Edison ein komplettes Beleuchtungssystem mit Glühbirnen. In Württemberg herrscht hingegen weiterhin relative Stagnation. „Das frische fröhliche Treiben der Natur steht nicht im vollen Einklang mit dem Wirken und Schaffen der Menschen. Noch ist’s nicht in allen Werkstätten Frühling“, stellt die Eßlinger Zeitung fest. So verzeichne die Maschinenfabrik „nur bescheidene Aufträge“. Das Blatt beklagt, dass das Projekt der Kettenschleppschifffahrt bis nach Esslingen nicht weiter verfolgt wird. Dabei ziehen sich Dampfschlepper an einer im Fluss verlegten Kette flussaufwärts. Zwischen Mannheim und Heilbronn war eine Kette verlegt worden, was der Region wirtschaftlichen Zuwachs brachte. Auch in Esslingen könnten ein Hafen und eine Werft den Handel beleben. „Dann könnte eine neue Aera für unsere Stadt anbrechen.“ Auch eine neue Steuergesetzgebung verspreche eine Verbesserung der Verhältnisse. So schlägt die Zeitung vor, „die Bedürfnisse der Stadt auf dem ordentlichen Weg direkter Besteuerung zu decken, daß aber auch die Kapitalisten und Besoldeten, welche am wenigsten über die Consumsteuer klagen, anders als bisher zu den direkten Steuern beigezogen werden mögen“.

Bei aller Klage findet zumindest das kulturelle Leben in der Stadt lobende Anerkennung. Namentlich die Anstrengungen am Esslinger Theater, eine attraktive Ablenkung vom Alltag zu bieten, werden gewürdigt. Der Zeitgeist scheint dem unterhaltsamen Schauspiel zugeneigt. Eine Kritik in der Eßlinger Zeitung berichtet, dass das Historienstück „Der Postmichel“ „bei vollem Hause mit übervollen Gallerien“ gegeben wurde. Zwar biete das Stück „unter dem Gesichtspunkte der künstlerischen Anlage und Durchführung lange nicht so viel, als schon manches andere bei fast leeren Bänken über unsere Bühne gegangene Lust- und Schauspiel“. Doch da es „auf dem Fundamente historischer Wahrheit“ ruhe, sei es geeignet, „das Interesse für das Theater in höherem Grade, als leider sonst der Fall ist, zu erwecken“.

1881