Im April 1949 stellen Gewerbebetriebe und der Handel auf der Messe „Esslingen am Werk!“ ihre Leistungsfähigkeit vor. Foto: Stadtarchiv Esslingen - Stadtarchiv Esslingen

Mit der Gleichschaltung durch die Nazis 1933 verlor die Eßlinger Zeitung ihre Unabhängigkeit. Einen Neubeginn gab es für sie 1949. In diesem Jahr wurde auch das Grundgesetz verkündet und Konrad Adenauer zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt.

Kreis EsslingenIm Februar 1949 erscheint in Esslingen nach 16 Jahren unter dem Titel „Neckarpost“ wieder eine freie und unabhängige Tageszeitung. Ab Juli firmiert das Blatt wieder als Eßlinger Zeitung. Der Verleger Otto Wolfgang Bechtle, der das Unternehmen nach dem Tod seines Vaters Richard Bechtle übernommen hatte, und die Mitherausgeber Albert Lohmann und Hermann Mathes begründen dies mit der „glücklichen Tradition“ des Titels, an die angeknüpft werden soll. Es werde davon ausgegangen, dass „die gesamte Oeffentlichkeit diese Entwicklung als eine erwünschte und erwartete Lösung gerne zur Kenntnis nehmen“ werde. Dazu wollten sie sich „bemühen, die innere und äußere Gestaltung als echte, am Ort hergestellte Heimatzeitung zu fördern“.

Nach den langen Jahren der Diktatur und des Krieges, der Kapitulation und der Besetzung Deutschlands, der Demontage von Industrieanlagen mit nachfolgender Massenarbeitslosigkeit und Hunger markiert 1949 in mancherlei Hinsicht ein Jahr des Neubeginns. Mit den Hilfen aus dem Marshall-Plan, einem nach dem US-Außenminister George C. Marshall benannten Aufbauprogramm für Europa, und unterstützt durch die Einführung der D-Mark in den westlichen Besatzungszonen im Vorjahr wird ein wirtschaftlicher Aufschwung spürbar. In Esslingen zeigt sich das im April mit der Ausstellung „Esslingen am Werk!“, bei der Handel und Gewerbe in der Stadt ihre Leistungsfähigkeit vorstellen.Auch die Teilung Deutschlands manifestiert sich. Im Vorjahr hatte sich in Bonn ein Parlamentarischer Rat aus Politikern der Länder der westlichen Besatzungszonen zur Vorbereitung eines deutschen Staats gebildet. In der sowjetischen Besatzungszone war ein ähnliches Gremium entstanden. Im März wird dort die Verfassung einer Deutschen Demokratischen Republik beraten. Im Mai finden Wahlen zum Volkskongress statt, er beschließt die Verfassung der DDR. Am 7. Oktober wird die DDR gegründet, Präsident wird Wilhelm Pieck.

Ein Ausschuss des Parlamentarischen Rats in Bonn übernimmt im Januar die Verwaltung im Westen bis zur Verabschiedung des Grundgesetzes und der Wahl einer Regierung. Im Mai akzeptieren der Rat und die Militärverwaltungen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, die Landtage außer Bayern stimmen ebenfalls zu. Bonn wird zur Bundeshauptstadt gewählt. Am 23. Mai wird das Grundgesetz verkündet und in Kraft gesetzt. Die Bundesversammlung wählt im September den FDP-Politiker Theodor Heuss zum Bundespräsidenten.

Am 14. August finden die Wahlen zum Bundestag statt. Die Wahlbeteiligung liegt bei 78,5 Prozent. Konrad Adenauer (CDU) wird Bundeskanzler und bildet ein Kabinett aus CDU, CSU, FDP und Deutscher Partei (DP). Im Wahlkreis Esslingen landet der katholische Geistliche Franz Ott bei der Wahl einen Überraschungserfolg. Das ehemalige Mitglied der SA holt als Kandidat der Vertriebenenorganisation Notgemeinschaft Württemberg-Baden mit 28,2 Prozent der Stimmen das Direktmandat. Die Eßlinger Zeitung veranstaltet 1949 ihre erste Leserreise, begleitet von einem Berichterstatter und noch ganz bescheiden mit dem Bus auf den Schurwald und ins Remstal. Nach einem „ersten erquickenden Imbiß“ reist die Gruppe „frohgelaunt und aufgelockert“ nach Schnait. Dort wird dem Wein zugesprochen, „und weil die Heiterkeit immer größer und die allgemeine Ausflugsstimmung von Minute zu Minute besser wurde, beschloß man, während der Rückfahrt auch noch in Aichelberg einen kurzen Aufenthalt einzulegen“, berichtet die Zeitung.