Die Maschinenfabrik ist im Jahr 1922 dank eines Auftrags über elf Güterzuglokomotiven für Russland gut im Geschäft. Foto: EZ-Archiv - EZ-Archiv

Nach dem verlorenen Weltkrieg kann Deutschland die Reparationszahlungen 1922 kaum leisten. Ein Deal mit Russland verspricht Linderung, auch nach Esslingen fließen Aufträge, zeigt diese Folge der EZ-Jubiläumsserie.

EsslingenDie Frage der deutschen Reparationszahlungen beherrscht auch im Jahr 1922 das politische Geschehen in Deutschland. Die Alliierten gewähren mehrmals einen Zahlungsaufschub, beharren jedoch auf einer Erfüllung des Vertrags. Hinzu kommen die Kosten, die das Deutsche Reich für die Besatzung der linksrheinischen Gebiete tragen muss.

Die Reichsregierung beantragt mehrmals einen Zahlungsaufschub und erklärt schließlich ihre Zahlungsunfähigkeit. Frankreich droht zunächst allgemein Strafmaßnahmen an, im November konkret mit der Besetzung des Ruhrgebiets. Zum Jahresende stellen die Alliierten die „vorsätzliche Nichterfüllung“ der deutschen Verpflichtungen fest.

Die Inflation beginnt zu galoppieren. Die Reparationen müssen in Goldmark bezahlt werden. Um die am Devisenmarkt zu beschaffen, wird zusätzliches Papiergeld gedruckt, das nicht durch Gegenwerte gedeckt ist. Der Ruin der Währung wird absehbar. An den Devisenbörsen kommt es zu Panikreaktionen, die Mark verliert dramatisch an Wert. Nachdem der US-Dollar im Herbst 1921 noch mit knapp 210 Mark gehandelt worden war, kostet er im August bereits 860 Mark. Die stark steigenden Lebenshaltungskosten führen zu Streiks in der Metallindustrie in Süddeutschland. Die Metaller fordern kürzere Arbeitszeiten und eine Teuerungszulage. Nach 13 Wochen endet der Streik mit der Vereinbarung der 48-Stunden-Woche.

Im April und Mai findet in Genua eine Wirtschaftskonferenz statt, zu der erstmals nach dem Krieg auch Deutschland eingeladen ist. Am Rande treffen sich Reichskanzler Joseph Wirth und Außenminister Walther Rathenau mit einer russischen Delegation im nahegelegenen Rapallo. Sie unterzeichnen ohne die den anderen Teilnehmerstaaten zuvor zugesicherte Absprache einen Vertrag, der das Verhältnis der beiden Staaten normalisieren soll. Die anderen Konferenzteilnehmer reagieren scharf auf den Bruch der Verabredung und beschuldigen Deutschland, das „Angebot des guten Willens mit einem Vorgehen beantwortet“ zu haben, das den „Geist gegenseitigen Vertrauens zerstört“ habe, wie die Eßlinger Zeitung aus deren Protestnote zitiert. „Alles wettert und schimpft auf die Deutschen, die mal wieder ihre wahre Natur enthüllt hätten. Besonders den Franzosen ist es eine willkommene Gelegenheit“, klagt darüber der Kommentator.

Im Vertrag von Rapallo wird eine wirtschaftliche Zusammenarbeit vereinbart, die auch der Maschinenfabrik Esslingen aus der Flaute hilft. Im Zuge des Wiederaufbaus der russischen Eisenbahnen werden umfangreiche Bestellungen vergeben. Die Maschinenfabrik liefert elf Güterzuglokomotiven.

Im Friedensvertrag von Versailles war eine radikale Abrüstung Deutschlands festgeschrieben worden. Schweres Kriegsgerät sollte an die Alliierten übergeben oder unbrauchbar gemacht werden. Für die Luftfahrt war eine eigene Überwachungskommission gebildet worden. Im Frühjahr werden die Kontrolleure abgezogen, nachdem 14 000 Flugzeuge zerstört worden sind.

Die Eßlinger Zeitung kommentiert den Abzug mit Spott, da es „bei uns in militärischen Dingen längst nichts mehr zu kontrollieren“ gebe. Man werde „die ungebetenen Gäste der Ententekommission, die seit 2 Jahren auf unsere Kosten in Automobilen durch das Reich spazieren fuhren, mit Vergnügen hinter ihren Grenzpfählen verschwinden sehen“.