Im Bahnhof Plochingen (undatierte Aufnahme um 1900) ereignet sich 1894 ein schweres Zugunglück. Illustration:EZ-Archiv - Illustration:EZ-Archiv

Das Deutsche Reich schließt mit Russland einen Handelsvertrag, die Stadt Esslingen ist unzufrieden, und in Plochingen ereignet sich Schauderhaftes.

EsslingenIm Jahr 1894 reagiert das Deutsche Reich auf den zunehmenden Unmut der heimischen Industrie über seine Schutzzollpolitik und schließt mit Russland einen bilateralen Handelsvertrag. Innenpolitisch kündigt sich eine erneute Verschärfung des Kurses insbesondere gegenüber der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften an. Kaiser Wilhelm II. entlässt Reichskanzler Leo von Caprivi wegen dessen relativ liberaler Politik und beruft Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst zum Reichskanzler. Er regiert bis zum Jahr 1900 und forciert eine expansive Kolonialpolitik, die Aufrüstung der Flotte und die Verschlechterung des Verhältnisses zu England.

In Württemberg wird in diesem Jahr eine Verfassungsreform debattiert. Der Revisionsentwurf findet wenig Gnade vor den Augen der Eßlinger Zeitung. „Es bietet derselbe wenig Befriedigendes“, schreibt das Blatt. Als besonders empörend wird empfunden, dass die Stadt Esslingen auch nach einer Reform keinen eigenen Abgeordneten in den Landtag entsenden soll. Seit 75 Jahren habe etwa die Stadt Ellwangen mit gerade einmal 4500 Einwohnern ein Entsendungsrecht. „Eßlingen aber, dem dieses Recht als früherer Reichsstadt einst ebenfalls in Aussicht gestellt war, wurde damals übergangen und soll auch jetzt wieder leer ausgehen“, bemängelt die EZ und stellt „eine Ungerechtigkeit“ fest. Es müssten daher „Schritte unternommen werden, Eßlingen zu seinem Rechte zu verhelfen, ehe es hiefür zu spät sein wird!“.

„Der Anblick war schauderhaft“

Ein Eisenbahnunglück im Bahnhof Plochingen ist ein weiteres großes Thema in der Zeitung. Beim Überfahren einer Weiche entgleist ein Güterzug, 15 Waggons werden beschädigt, „hievon türmten sich ca. 7 Wagen in- und aufeinander und stürzten über den Eisenbahndamm gegen den Neckar. Der Anblick war schauderhaft“, berichtet der Beobachter.

Ein weiterer Korrespondent informiert die Leserinnen und Leser, dass der Unfall eine Menge Gaffer herbeigelockt habe – und dies nicht grundlos. „Ein solcher Fremdenverkehr war noch selten so hier zu treffen. Der Besuch war ein lohnender, denn die Aufräumung und Hebung der Wagen war interessant.“