Im Juli 1984 zerstört eine Gasexplosion ein Laborgebäude der Fachhochschule für Technik in der Neckarstraße. Foto: EZ-Archiv - EZ-Archiv

EZ-Jubiläumsserie 1984: In Esslingen explodiert ein Gebäude der FH. Die Medien entdecken den Umweltschutz als Thema. Forderungen nach einer 35-Stunden Woche werden laut.

EsslingenDie Bundesrepublik ist auch im Jahr 1984 um ein gutes politisches Einvernehmen mit den Nachbarn in Ost und West bemüht. Im Februar stirbt der sowjetische Staats- und Parteichef Jurij Andropow. Sein Nachfolger wird Konstantin Tschernenko. Anlässlich der Beisetzung Andropows treffen sich Bundeskanzler Helmut Kohl und der Staatschef der DDR, Erich Honecker, erstmals persönlich. Im Lauf des Jahres fliehen immer mehr DDR-Bürger in die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin sowie in die Botschaften in Prag, Bukarest, Warschau und Budapest, um ihre Ausreise aus der DDR zu erzwingen.

Als Zeichen ihrer Annäherung vereinbaren die Bundesrepublik und Frankreich den Abbau der Grenzkontrollen. Bundeskanzler Kohl und der französische Staatspräsident François Mitterrand halten sich bei einem gemeinsamen Totengedenken in Verdun als Ausdruck der Verbundenheit beider Völker demonstrativ minutenlang die Hände.

Die Nahostpolitik der Bundesregierung steht international in der Kritik. Strittig sind nicht zuletzt geplante Waffenverkäufe an Saudi-Arabien, einen der Unterstützer Irans im Krieg gegen den Irak, und ein Besuch von Außenminister Hans-Dietrich Genscher in Teheran.

Im April beginnt in der westdeutschen Druckindustrie ein großer Streik für die Einführung der 35-Stunden-Woche. Die Metaller ziehen im Mai mit der gleichen Forderung nach. Es ist einer der größten Arbeitskämpfe der Nachkriegszeit, Zeitungen erscheinen nicht oder nur in Notausgaben, die Autoproduktion stehen still. Die Arbeitgeber reagieren mit Aussperrungen. Im Juli werden die Streiks mit einer Einigung auf eine 38,5-Stunden-Woche beendet.

Die Problematik der Umweltschäden rückt stärker in das Bewusstsein. Im April schreibt Bayern als erstes Bundesland den Umweltschutz in der Verfassung fest. Bei einer Konferenz in München diskutieren Delegationen aus 31 Ländern, darunter auch Vertreter der Staaten des Ostblocks staatenübergreifende Umweltfragen. Bundeslandwirtschaftsminister Ignaz Kiechle legt im Herbst einen Waldschadensbericht vor, der für Aufsehen sorgt. Demnach hat die Erhebung ergeben, dass 50 Prozent aller Bäume in der Bundesrepublik krank oder bereits abgestorben sind. Dies löst eine verstärkte Diskussion über Umweltverschmutzung aus, die auch in anderen europäischen Ländern aufgegriffen wird. Französische Medien prägen den Begriff „Le Waldsterben“.

Anfang Juli erschüttert eine schwere Gasexplosion die Esslinger Innenstadt. Ein Laborgebäude der Fachhochschule für Technik in der Neckarstraße wird dabei komplett zerstört, die Trümmer des dreistöckigen Gebäudes brennen aus. „Mich hob es fast zehn Zentimeter vom Boden hoch“, schildert Oberbrandmeister Gerhard Bodtländer von der Freiwilligen Feuerwehr Esslingen, der in der Nähe wohnt, in der Eßlinger Zeitung. Als Unglücksursache wird eine undichte Gasleitung ausgemacht. Da sich die Explosion am Abend ereignet, werden lediglich fünf Menschen, die in den Nachbarhäusern leben, leicht verletzt. Die Sachschäden sind jedoch gewaltig. „Infolge der starken Druckwelle gingen im Umkreis von nahezu 200 Metern hunderte Fensterscheiben zu Bruch. In einigen Gebäuden riß die Druckwelle Türen samt Rahmen aus den Wänden“, berichtet die Zeitung.