Der amerikanische Präsident Ronald Reagan und KPdSU-Generalsekretär Michail Gorbatschow treffen sich 1985 in Genf. Foto: Archivfoto:RIA Novosti - Archivfoto:RIA Novosti

Im Jahr 1985 war Tauwetter angesagt zwischen den Kalten Kriegern USA und Sowjetunion. Die Eßlinger Zeitung wirft der SPD vor, vom Verbündeten USA abzudriften.

EsslingenIm März 1985 stirbt der sowjetische Staats- und Parteichef Konstantin Tschernenko. Sein Nachfolger als Generalsekretär der KPdSU wird Michail Gorbatschow. Dieser Wechsel an der Spitze leitet eine neue Ära in der Innen- wie Außenpolitik der Sowjetunion ein, die zu weltweiten Veränderungen und entscheidenden Umwälzungen in Europa führen wird. Mit einiger Verzögerung wird der bisherige Außenminister Andrei Gromyko zum Staatspräsidenten gewählt. Neuer Außenminister wird Eduard Schewardnadse, ein Vertrauter von Gorbatschow.

Die Bundesregierung sagt Gorbatschow laut der Eßlinger Zeitung „die Fortsetzung der Politik guter Nachbarschaft“ zu. Bundeskanzler Helmut Kohl und der Staatschef der DDR, Erich Honecker, treffen sich anlässlich der Trauerfeier für Tschernenko zu einem Gespräch. US-Präsident Ronald Reagan ist nicht unter den Trauergästen. Er trifft sich jedoch mit Gorbatschow im November bei einem dreitägigen Gipfel in Genf, bei dem die Grundzüge der Politik der beiden Großmächte diskutiert werden.

Im Mai besucht US-Präsident Ronald Reagan die Bundesrepublik. Dabei legen er und Kohl auch Kränze auf dem Soldatenfriedhof Bitburg nieder. In der Bundesrepublik wie auch international wird das scharf kritisiert, da dort auch Angehörige der Waffen-SS beerdigt sind. Die Eßlinger Zeitung merkt zu der Kritik an, dass sie „innenpolitisch zu tieferer Konfrontation“ beigetragen habe. Namentlich die SPD wird beschuldigt, „vom Hauptverbündeten abgedriftet“ zu sein, zwischen ihr und den USA gebe es „keine ehrlich zu betretende Brücke des Einvernehmens mehr“.

Bundespräsident Richard von Weizsäcker beendet am 8. Mai mit einer auch international beachteten Rede zum 40. Jahrestag der deutschen Kapitulation die politischen Dissonanzen. Dabei stellt er fest, dass nicht das Kriegsende der Grund allen Nachkriegsübels gewesen sei. „Wir dürfen den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen“ – Gedanken, die laut der Eßlinger Zeitung „in das Lehrbuch einer wieder geschichtsbewusster erzogenen Generation gehören“.

Das Projekt der europäischen Einheit wächst heran und nimmt konkrete Formen an. Spanien und Portugal unterzeichnen die Verträge über den Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft (EG). Frankreich, Belgien, die Niederlande, Luxemburg und die Bundesrepublik vereinbaren in Schengen den schrittweisen Abbau der Personenkontrollen an den EG-Binnengrenzen. Die EG-Außenminister beschließen ein gemeinsames Vorgehen gegen das Apartheit-Regime in Südafrika, darunter ein Waffen- und Rohstoffembargo.

Ende Mai kommt es vor dem Endspiel im Fußball-Europacup zwischen dem FC Liverpool und Juventus Turin im Heysel-Stadion in Brüssel zu einer Katastrophe. Britische Fans greifen italienische Juventus-Anhänger an, die Karten für die Liverpooler Tribüne erhalten hatten. Es bricht Panik aus, Tausende Menschen versuchen, auf das Spielfeld zu fliehen, eine Brüstung stürzt ein. 39 Menschen kommen ums Leben, rund 400 werden zum Teil schwer verletzt. Der Deutsche Fußball-Bund spricht von der „schwärzesten Stunde des europäischen Fußballs“. Die Europäische Fußballunion schließt als Sanktion alle englischen Vereine bis zum Jahr 1990 von europäischen Wettbewerben aus.