Wer sich im Job nicht unterbuttern lassen will, muss nicht unbedingt Ellenbogen zeigen. Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert - dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Manchmal scheint es, als ob immer die Dreisten und Lauten ans Ziel kommen. Wer seine Durchsetzungskraft trainieren will, muss aber nicht zu unfairen Mitteln greifen.

Buchholz/Bergisch GladbachAls Diana Dreeßen-Wösten mit Anfang 20 nach Frankfurt an die Börse kam, war sie schüchtern und wurde schnell rot. Ihr war klar, dass sie das ändern musste, wenn sie sich dort behaupten wollte. „Innerhalb von sechs Wochen habe ich meine Innenwelt komplett umgekrempelt“, erzählt sie.

Heute arbeitet sie als Coach für Unternehmer, Geschäftsführer und Führungskräfte – hauptsächlich männliche. Dabei profitiert sie davon, dass sie selbst lernen musste, sich in einer männlichen und von Konkurrenzkämpfen dominierten Branche durchzusetzen. Eine zentrale Botschaft, die sie ihren Klientinnen und Klienten mitgibt: sich gut vorbereiten. „Das machen auch fast alle richtig“, sagt sie. Vergessen werde allerdings oft, mögliche Einwände vorauszusehen und sich entsprechende Argumente zurechtzulegen. Dreeßen-Wösten rät dazu, sich einen imaginären „Kompetenzraum“ einzurichten. „Jeder Mensch sollte auf Anhieb mindestens zehn Dinge nennen können, die er richtig gut kann.“ Es sei außerdem wichtig zu wissen, was man erreichen möchte. „Wenn ich mein Ziel immer vor Augen habe, können mir Hindernisse nichts anhaben“, betont sie.

Nüchtern und sachlich bleiben

Häufig scheint es, als könnten sich unverschämte und oberflächlich argumentierende Menschen besonders gut durchsetzen. Dreeßen-Wösten aber ist der Meinung: „Je frecher und übergriffiger ein Mensch ist, desto mehr hat jemand zu verstecken.“ Sie rät in solchen Fällen, das Gegenüber nüchtern und sachlich zu hinterfragen. Eine gute Strategie sei, unausgegorene Argumente und Vorwürfe kurz zusammenzufassen und nachzufragen: „Du glaubst also, dass das bei uns so ist? Was bringt dich zu dieser Annahme?“ Statt sich persönlich angegriffen zu fühlen, könne man so in die Rolle eines sachlichen Moderators schlüpfen. Es sei nicht nötig, narzisstisches Gebaren zu imitieren, um sich durchzusetzen, betont sie.

Um Respekt zu ernten, müsse niemand seine Persönlichkeit ändern, sagt Jens Korz. „Jeder kann sich durchsetzen, aber jeder macht es anders.“ Der ausgebildete Schauspieler, Betriebswirt und Psychologe arbeitet als Coach für Unternehmen. Er betont: Lautes, unkollegiales Verhalten mache sich häufig nur scheinbar bezahlt. „Es gibt Topmanager, die sehr autoritär und aggressiv auftreten. Aber die bekommen irgendwann die Quittung dafür.“

Bei seinen Coachings setze er bei der Persönlichkeit und ihren Bedürfnissen an. „Wir bringen Leuten bei, sich diplomatisch durchzusetzen. Dafür muss man über die Beziehungsebene gehen.“ Für Chefs bedeutet das, auf die Wünsche der Mitarbeiter einzugehen. Angestellten rät er, Anliegen knapp und präzise vorzutragen. „Gut ist, wenn man schon eine Lösung im Gepäck hat.“ In der Regel gehen die Vorgesetzten auf die Vorschläge ein, ist Korz überzeugt. In seinen Coachings versucht er, mit seinen Klienten zu ergründen, woher bestimmte Verhaltensmuster kommen. Nicht alles könne man ändern – aber man könne daran arbeiten.

Gerade im ersten Kontakt seien Frauen oft bescheidener als Männer, sagt Sigrid Meuselbach, die unter anderem als Coach für Führungskräfte arbeitet. Ihrer Mutter wurde vom Ehemann verboten, zu arbeiten. Diese Erfahrung hat sie geprägt. Schon früh hat sie deshalb angefangen, mit Frauen zu arbeiten und sie zu stärken. „Ich glaube, dass Mädchen frühzeitig vermittelt wird, dass es unhöflich ist, über sich selbst zu sprechen.“

Leider habe sie den Eindruck, dass sich in den vergangen Jahrzehnten noch nicht viel geändert habe. Sie beobachte auch, dass es bestimmt und selbstsicher auftretende Frauen im Beruf immer noch schwer hätten – vor allem, wenn sie mit Männern konkurrieren.

Unterstützung von Kollegen holen

Trotzdem rät sie dazu, sich klar und deutlich auszudrücken. „Um sich durchzusetzen, ist das Wichtigste, Klartext zu reden“, betont sie. Außerdem dürfe man nicht zu zurückhaltend sein, was die eigenen Fähigkeiten angeht. „Um auf sich aufmerksam zu machen, ist es gut, ein bisschen mehr über sich selbst zu reden.“ Allerdings haben nicht nur Frauen haben Schwierigkeiten damit, sich durchzusetzen. „Die meisten Männer sind eher leise Typen, die versuchen, sich über diese Sache hinweg zu setzen“, so die Einschätzung von Dreeßen-Wösten. Für junge Männer sei beispielsweise oft schwer, Ansprüche auf Elternzeit, Teilzeit oder Homeoffice durchzusetzen, ergänzt Meuselbach.

Bei solchen Problemen komme der Einzelne aber meist nicht weit. „Erst wenn es bereits zwei oder drei von den Kollegen gelungen ist, Elternzeit zu bekommen, wird es besser“, sagt sie. Sie empfiehlt grundsätzlich, Netzwerke zu knüpfen und sich die Unterstützung von Kollegen und Mentoren zu sichern.