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Von Malte Florian Klein
Kurt Wallanders Leben steht in Henning Mankells Roman „Der Feind im Schatten“ im Vordergrund. Das mag nicht neu erscheinen, denn auch in anderen Romanen läßt Mankell seinen Kommissar Details aus dessen Privatleben preisgeben. Anders ist aber die Intensität, mit der Privates hier den Kriminalfall zum Beiwerk degradiert.
Verquickung von Mord und Leben
Die Verquickung von Mord und eigenem Leben kommt zustande, weil die Tat die Familie von Wallanders Schwiegersohn betrifft. Dessen Vater Hakan von Enke, ein pensionierter Korvettenkapitän, verschwindet während seines Morgenspaziergangs spurlos. Auf seiner Geburtstagsfeier kurz zuvor hatte der 70-jährige Wallander ihm ein militärisches Geheimnis anvertraut. Der Kommissar wird gebeten zu ermitteln und gewinnt durch Gespräche mit hohen Militärs Einblicke in die Rolle Schwedens zur Zeit des Kalten Krieges. Er deckt ein Familiengeheimnis auf und betritt die Welt von Spionage und Geheimdiensten.
Das Buch ist im typischen Mankell-Stil geschrieben: Schritt für Schritt wird die Handlung aufgebaut und detailliert, bisweilen auch zu detailliert, erzählt. Dennoch entsteht eine subtile, sich zum Ende hin steigernde Spannung, die das 592 Seiten starke Buch nicht zu lang erscheinen lässt. Seine große Stärke ist, wie Mankell den Kommissar eine nachdenkliche, schonungslose und wunderbar melancholische Lebensbilanz ziehen lässt. Die ganze innere Einsamkeit und Unruhe Wallanders kommen zum Vorschein.
Durch Querverweise erinnert Mankell an Personen früherer Bücher, etwa Wallanders Geliebte Baiba aus „Hunde von Riga“ oder das Bauernehepaar aus dem ersten Wallander-Roman „Mörder ohne Gesicht“. Wallander - inzwischen 60 und selber Großvater - bringt auch seine Beziehung zu seinem Vater aufs Tapet und fragt sich, ob er selbst auch so mißmutig geworden ist. Die frühere Ehefrau Mona wiederum, die er jahrelang zurückerobern wollte, hat seine Gefühle im Alkohol ertränkt. Zur Suchtkranken geht der Kommissar denn doch auf emotionale Distanz.
Grenzen im Blick
Über allem steht aber Wallanders Angst vor dem Altern: „Jeden Tag erwache ich mit dem Gefühl, dass es so wahnsinnig schnell geht. Ich weiß nicht, ob ich hinter etwas herlaufe oder vor etwas davonlaufe. Ich laufe nur.“ Solche Sätze sagt er seiner Tochter Linda erst am Ende des Buches. Doch die Angst vor der Begrenztheit des Lebens zieht sich durch den gesamten Roman. Schlussendlich wird klar, dass Wallander in seinem letzten Fall ermittelt hat. So stellt das Buch den letzten Akt eines zutiefst menschlichen und alles in allem gerade darin sympathischen Antihelden dar.
Henning Mankell: Der Feind im Schatten. Zsolnay Verlag, 592 Seiten, 26 Euro.
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