Da soll einer sagen, der Nachwuchs hat kein Interesse mehr an der Tradition. Quelle: Unbekannt

Das Vinzenzifest hat wieder bunte Farbtupfer in Wendlingen gesetzt. Die früheren Heimatvertriebenen sind heute Brückenbauer. Die Europapolitikerin Evelyne Gebhardt hielt die Festrede.

WendlingenWendlingen kam am Wochenende gar nicht mehr aus dem Festen raus. Am Freitag bereits konnten sich die heimatverbundenen Freunde zum walisischen Abend beim Treffpunkt Stadtmitte einfinden. Die Gruppe „Dawnswyr Bro Cefni“ unterhielt mit Livemusik und Tanz. Der Samstag war dann für die festliche Eröffnung des Großereignisses reserviert: Bereits zum 67. Mal fand das Vinzenzifest statt und die Egerländer trafen sich zum 44. Mal in Wendlingen beim Landestreffen. Am Sonntag öffnete traditionell der Krämermarkt ab 8 Uhr die Pforten und zog da schon hunderte Menschen in die Gassen. Festlich wurde es bei der Vinzenziprozession, die auch schon in bewährter Tradition von der Kirche St. Kolumban bis zum Marktplatz führt. Pfarrer Kenneth Nwokolo hielt den Festgottesdienst. Musikalisch umrahmten der Musikverein Unterboihingen und der Kirchenchor Sankt Kolumban die Eucharistiefeier auf dem Marktplatz. Nach dem Segen durch den Geistlichen wurden nicht nur die Kinder fürs Warten belohnt: Traditionell wurden am Birnsonntag – wie es der Name sagt – Birnen verteilt.

Beim Empfang der Stadt Wendlingen maß Bürgermeister Steffen Weigel dem Vinzenzifest eine hohe Bedeutung in Europa zu. „Die früheren Heimatvertriebenen sind heute Brückenbauer“, betonte er, und man könne den Friedensprozess in Europa nicht hoch genug schätzen. Für die Lösung der Probleme in Europa und der Welt sieht er das gemeinsame Handeln im Vordergrund. „Wir müssen enger zusammenrücken“, forderte er. Weigel freute sich über den hohen Besuch aus dem Europaparlament: Dieses Jahr war Evelyne Gebhardt, Vizepräsidentin im Europäischen Parlament und Landesvorsitzende der Europaunion, in Wendlingen zu Gast. „Das Vinzenzifest wird immer wieder von Politikern aus allen Ebenen besucht“, so Weigel. Der wahre Grund und Auslöser für das Vinzenzifest ist die Tradition. „Ohne die Egerländer wäre das Fest kaum in der jetzigen Form vorstellbar“, so Weigel. Er betonte, dass 15 Vereine und Verbände, angeführt von Bindeglied Lothar Schindler, beim Fest mithelfen und lobte die Zusammenarbeit zwischen Gemeinde und den Vereinen.

Evelyne Gebhardt hielt die Vinzenzirede beim Stadtempfang. Die Vizepräsidentin des Europaparlaments forderte, dass Europa für alle Heimat werden und bleiben müsse. „Die Menschen leben hier zusammen und erarbeiten die Gemeinschaft.“ Weder gemeinsame Sprachen, noch Kulturen seien die Träger von Heimat. „Heimat sind wir alle.“ Dazu gehöre auch die Würde des Menschen. „Und diese ist unantastbar und muss es auch bleiben.“ Gebhardt forderte eine klare Haltung gegenüber Mitbürgern, die der Ansicht seien, es gebe Menschen erster und zweiter Klasse. „Wir müssen aus der Vergangenheit lernen. Nicht die Spaltung, sondern der Zusammenhalt ist die Heimat.“ Sie wies damit auch auf die aktuelle Flüchtlingsproblematik in Europa hin. „Egoismus hat keinen Platz mehr“, betonte die Europapolitikerin. Sie machte Mut: „Wir müssen weiterarbeiten, auch wenn es mal nicht so gut klappt. Das ist unsere Herausforderung.“ Es brauche Ziele und Visionen und vor allem „Respekt und Achtung vor der Vielfalt.“

Die Vielfalt konnte am Sonntagnachmittag in den Straßen hautnah erlebt werden. Der Ernte- und Trachtenfestumzug hatte einige bunte Attraktionen dabei. Die vielen Trachten – und dabei vor allem die liebevoll dekorierten Kopfbedeckungen – gefielen den hunderten Zuschauen am Straßenrand. Die alten Vehikel, wie etwa ein historisches Fahrzeug einer Werksfeuerwehr in Wendlingen, aber auch die ganzen Schlepper und Pferdekutschen waren eindrucksvolle Zeitzeugen der längst vergangenen Jahre.