Der spitze Krautkopf mit dem feinen Aroma ist der Star der traditionsreichen Großveranstaltung. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Karin Ait Atmane

Zehntausende kamen am Wochenende zum Krautfest. In Leinfelden, Echterdingen, Musberg und Oberaichen wurde ausgiebig gefeiert und dabei nie vergessen, wer der eigentliche Star der Großveranstaltung ist: ein spitzer Krautkopf mit feinem Aroma.

Erika und Otto Neuberger haben am Krautfestwochenende kaum Pause: Als ehrenamtliches Krautkönigspaar sind die beiden von einem Programmpunkt zum nächsten unterwegs, und das seit 15 Jahren immer wieder. „Das ist schon auch ein bisschen Hobby“, sagt der Krautkönig, der wie seine Frau ein Kind der Fildern ist und mit dem lokalen Gemüse viel anfangen kann. Die beiden bauen es an und verarbeiten es, wobei die Krautfestkönigin ihre Wickel auf besondere Weise zubereitet: Das Hackfleisch ersetzt sie durch sehr fein geschnittenes Rindfleisch, leicht angebraten. „So wird die Füllung lockerer, einfach mal was anderes“, sagt Erika Neuberger. Bei der Hülle gibt es aber nur eins: spitzes Filderkraut, das feiner ist als die runden Köpfe. Wenn es zur Neige geht, „dann gibt’s halt auch keine Wickel mehr“, so die Krautkönigin.

Beim Krautschmaus, zu dem Oberbürgermeister Roland Klenk jedes Jahr Persönlichkeiten einlädt, die die Geschicke der Stadt mitprägen, spielt das milde Filderkraut natürlich auch eine Hauptrolle, deftig ergänzt durch Leber- und Griebenwurst und Kesselfleisch. Serviert wird von Ehrenamtlichen, unter anderem den Mannen vom Bartclub „Belle Moustache“, die später auch auf der Bühne auf dem Neuen Markt die Muskeln spielen lassen: Ein Krautkopf rechts, einer links, die Arme seitlich ausstrecken, heißt es beim Krautstemm-Wettbewerb. Hundertprozentig gerecht geht es naturgemäß nicht zu, denn die Kohlköpfe wiegen nicht exakt gleich viel. Immer wieder seien auch Frauen dabei, erzählt Wolfgang Schneider vom Bartclub: „Es haben auch schon Frauen Männer übertrumpft.“

In Leinfelden werden die Kohlköpfe auf der Bühne nicht gestemmt, sondern um die Wette gehobelt. Brauchen kann man feingeschnittenes Filderkraut allemal, lässt es sich doch in unendlich vielen Varianten zubereiten: zusammen mit Schupfnudeln oder Spätzle, auf den ungarischen Langos, der heimischen Deie oder im Hotdog. Das Chinarestaurant bietet Krautwickel spezial an, der CVJM hat mit verschiedenen Krautburgern offensichtlich einen Nerv getroffen - die Warteschlange erstreckt sich über den ganzen Vorplatz der Echterdinger Zehntscheuer. Ebenso lange ist sie bei den Landfrauen, die traditionell Krautkuchen nach Echterdinger Rezept zubereiten. Das Rezept sei „auf jeden Fall älter als das Krautfest“, ist zu erfahren. Und es gelinge auch mit rohem Kraut, wenn das fein genug gehobelt ist, verrät Gisela Stäbler.

Bei Bauer Beck kann man den Spitzkohl nicht nur beim Krautfest, sondern den ganzen Oktober lang auch fertig gehobelt kaufen. Die historische Hobelmaschine dürfte aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg stammen, schätzt Margit Beck: „Wir schneiden nach alter Väter Sitte.“ Das spart den Kundeinnen und Kunden, die in diesem Jahr auch aus Hessen oder vom Bodensee kamen, eine Menge Arbeit bei Krautsalat, Krautpfanne und mehr. Kraut sei „ein bisschen im Trend“, sagt die Landwirtin. „Viele junge Leute machen auch wieder Sauerkraut.“ Schließlich enthalte das Kraut eine Riesenmenge Vitamin C und saniere die Darmflora. Oft werde mit dem Kraut auch kreativ gekocht mit Zutaten wie Chili oder Meerrettich oder asiatisch inspiriert.

Das Kochbuch „Mama, ich will Kraut“ der Echterdinger Tanzjugend ist bereits zwei Jahre alt und wurde heuer noch mal neu aufgelegt, „weil es doch immer wieder nachgefragt wird“, sagt Christine Hafen. Die Tanzjugend hat zur Eröffnung in Echterdingen ihre Röcke und Zöpfe fliegen lassen, ihr Mutterverein „Echterdinger Tracht“ zeigt in der Zehntscheuer eine Ausstellung über den historischen Anbau und die Verarbeitung des Spitzkohls. Alte Pflüge und Eggen, Hobel, Fässer und Stampfer sind zu sehen, samt einem Dokumentarfilm.

Bei „Deutschlands größter Krauthocketse“, wie die Stadt wirbt, sind die Spitzköpfe jedenfalls omnipräsent: als natürliches Deko-Element oder in Form von Plastik-Mülleimern, als Symbol an den Haltestellen des Krautfest-Shuttles oder als Krautfest-App auf dem eigenen Handy.