Süßes fürs Volk: Nachdem der Bürgermeister entmachtet ist, verteilt der Wernauer Till großzügig Schokolade. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Am „schmotzigen Donnerstag“ haben die Bürgermeister nichts zu lachen. Wie in Wernau werden viele Ratshauschefs entmachtet. In Neuhausen tanzen die Hexen dazu abends vor einem riesigen Feuer.

Wernau Jegliche rhetorische Gegenwehr ist zwecklos – am Ende muss der Schultes halt den Schlüssel an die vereinte Narrenschar übergeben. So sieht es das Drehbuch am Schmotziga Doschtig vor. „Von mir aus, machat was ihr wellat“, ruft in breitem Schwäbisch der Südsee-Pirat Armin Elbl - „I leg mei Amt drei Tag auf Eis, machat selber eiren Scheiß.“ Dolch und Räuberpistole lässt er im Gurt stecken.

Ein paar hundert Zuschauer und Maskenträger haben sich vor dem Quadrium versammelt, um in die heiße Phase der Fasnet einzusteigen. Die Wernauer Schüler sind am Vormittag schon von den Narren befreit worden und dürfen nun ihre einstudierten Tänze vorführen. Naheliegend, dass die Schlossgartenschüler als Bautrupp über die Bühne hüpfen – ihre Schule wird auch im echten Leben umgebaut. Die 7b der Realschule hat zu aktuellen Hits ein ganzes Potpourri an Tänzen einstudiert. Der Jury hat jedoch der Auftritt der 4e vom Katzenstein am besten gefallen. „No roots“ heißt deren Titel, aber die internationale Klasse zeigt mit Wappen auf den T-Shirts, wo in der Welt ihre Wurzeln liegen.

In vielen Orten stehen die Narrenbäume schon einige Tage – in Wernau macht man das in einem Aufwasch mit dem Rathaus-Sturm. Unter dem Kommando von Marc Brenner setzen die Geesgassdeifl die sogenannten Schwalben am geschälten Baumstamm an. Zunftmeister Marcel Reith ruft immer wieder zum vielstimmigen Hau-Ruck auf und nach zehn Minuten steht der 20 Meter hohe Baum senkrecht. Nun kann der Sturm aufs lotterhafte Rathaus beginnen. Dem Amtschef und seinem Rathaus-Pack liest der Till ordentlich die Leviten: „Kaffeetrenka, Schlendrian, Wellness, süßes Leaba. So goht’s net weiter, des kas net sei – Hecka Heala hoi hoi hoi!“ Der so Gescholtene wehrt sich vehement: Beim „Geld verjubla, G’setz bewacha, Bilettla schreiba und mords dia Pläne macha“ komme man ordentlich ins Schwitzen.

Viel zu heißt geht’s dem Till im Wohlfühlbad Quadrium her: „Erotik em Wellness? Ja spennat dia voll?“ Nur literarische Ergüsse biete man dort, hält der oberste Sauna-Chef dem „verklemmten Till entgegen, quasi die „Shades of Wernau“. Und mit den Kursen für Meerjungfrauen erfülle man nur Mädchenwünsche, für die Herren-Halluzinationen seien diese selbst verantwortlich.

Vom anderen Wernauer Feuchtgebiet, dem Freibad, fühlten sich Bürger zu oft ausgeschlossen, mäkelte der Till, alias Sigi Großmann, weiter. Die Schuld schob der Schultes allein den Meteorologen in die Schuhe. Ausrechnen konnte sich jeder, dass die Narren die viel diskutierten Parkschein-Automaten auf die Schippe nehmen werden. Selbst die Damen vom Bürgerbüro machten sich über diese Debatte lustig und liefen blau kostümiert als wandelnde Parkscheiben durch die Gegend. Vielleicht sollte der Gemeinderat mal über diese Variante debattieren. Oder über Tills Vorschlag: Kitaplätze statt Parkautomaten. Schließlich werde Wernau gerade von Babys überschwemmt.

Dass die Stadt die Laichlestreppe saniert, findet der Till toll, noch toller wäre es, wenn dort eine Seilbahn und eine Riesenrutsche gebaut würden. Eine Idee, die auch der Schultes genial findet: „Ein gscheider Plan, Wernau als Konkurrent zur neia Zugschbitz-Bahn!“ Doch das Zugeständnis hilft nichts mehr. Die Narren stürzen den Biegelkirbe-Drückeberger Armin – er nennet sich auch Adonis - vom Thron. Geesgassdeifl und Laichleshexa, Heckarutscher, Baura und Brotloible klettern die Leiter rauf und legen dem viel Gescholtenen die Schandgeige um.

Heute Abend wird der Gemeinderat auf die Anklagebank gezerrt. Narrengericht und die feurige Alemannische Nacht beginnen um 19 Uhr.