Grenzübergang zwischen Griechenland und Mazedonien (hier: Idomeni im August 2015) Foto: dpa

Ich bin im Sommer 2015 aus meinem Heimatland geflohen, weil ich Angst hatte, dass mich das Militär zwingt, der Armee beizutreten. Das Militär sucht Männer über 18, die sich in keiner Ausbildung befinden. So wie ich. Wenn sie dich auswählen, hast du keine Wahl, du musst beitreten. Das war eine furchtbare Perspektive für mich. Ich will keine Menschen töten – und meiner Meinung nach ist das die Hauptaufgabe der syrischen Armee. Aus diesem Grund beschlossen mein Bruder und ich, zu fliehen. Als ich Syrien hinter mir ließ, ließ ich auch den Einfluss der Armee hinter mir.

Meine Flucht nach Deutschland hat neun Tage gedauert. Während dieser Tage habe ich drei Mal geschlafen.

Über die Grenze zwischen Syrien und der Türkei sind mein Bruder und ich zu Fuß gegangen. Auf dem legalen Weg hätte ich Syrien nicht verlassen können. Wenn mich die Grenzkontrolle geschnappt hätte, wäre ich dem Militär zugewiesen worden.

In der Türkei bestiegen wir ein kleines Boot nach Griechenland. Auf dem Boot waren 52 Männer, Frauen und Kinder. Auf dem Meer blieben wir ungefähr 27 Stunden in dem Boot bis wir eine griechische Insel erreichten. Die Polizei griff uns auf und schickte uns nach Volos in Griechenland. Danach nahmen wir einen Bus nach Evzonoi. Das gehört auch noch zu Griechenland. Dort angekommen liefen wir über die Grenze nach Mazedonien, nach Gevgelija. Von Gevgelija fuhren wir mit dem Bus bis zur serbischen Grenze. Auch diese Grenze überquerten wir zu Fuß. In Serbien bestiegen wir einen Bus nach Belgrad, in Belgrad ein Auto zur ungarischen Grenze. Wir brauchten sieben Stunden, um die Grenze zu Fuß zu überqueren. Wir erreichten schließlich ein kleines ungarisches Dorf. Über Budapest gelangten wir schließlich mit dem Auto nach Deutschland.

In der Nähe von Passau überquerten wir die Grenze nach Deutschland. Plötzlich kam ein Polizeiauto. Die anderen Flüchtlinge gerieten in Panik und rannten weg. Ich rief ihnen hinterher, sie sollten stehenbleiben – man kann die deutsche Polizei nicht mit der syrischen vergleichen. Die deutschen Polizisten waren wie die Rettung für mich. Sie waren freundlich und brachten uns zu einer Polizeiwache in Passau, wo wir registriert wurden. Wir zeigten unsere Pässe und gaben Fingerabdrücke. Ich konnte mich auf Englisch verständigen. Nach sechs Stunden in Passau wurden wir einem Bus nach Regensburg zugeteilt. Dort warteten wir 20 Stunden auf einen Zug zur Landeserstaufnahmestelle (LEA) in Ellwangen. Von den Stunden bekam ich fast nichts mit, ich habe die ganze Zeit geschlafen.

In der Landeserstaufnahmestelle blieb ich 30 Tage. Ich musste Formulare mit persönlichen Daten ausfüllen. Dort wurde auch überprüft, ob die Flüchtlinge Verwandte in Deutschland haben. Ich hatte keine.

Iyad (blau) und Adels (grün) Fluchtweg. Durch Klicken auf die großen Symbole erscheinen Fotos der Stationen. Grafik: Buschhaus

In Ellwangen herrschte großes Chaos. Sehr viele Menschen lebten dort. Ein Übersetzer und das Rote Kreuz boten Sprechstunden an. Sie waren sehr freundlich zu uns.

In Ellwangen wurden die Flüchtlinge in Gruppen eingeteilt, die dann verschiedene Regionen in Deutschland zugewiesen wurden. Ich war sehr froh, als ich erfuhr, dass ich in die Region Stuttgart kommen sollte, denn ich hoffte, dass ich mit meiner Qualifikation dort Arbeit finden würde.

Die Mitarbeiter in Ellwangen gaben mir meine Dokumente mit, als ich mit dem Zug zu meiner nächsten Unterkunft fuhr, der Turnhalle in Esslingen. Von September bis zum Jahresende 2015 lebte ich mit 90 anderen Männern in der Turnhalle. Später wohnten dort aber 130 Männer. Zäune trennten verschiedene Abteile ab, die sich immer vier Männern teilten. In jedem Abteil waren zwei Stockbetten aufgestellt. Am Anfang fühlte ich mich sehr verloren. In der Sporthalle gab es keine Heizung, deshalb freute ich mich, als ich in eine Flüchtlingsunterkunft in Esslingen verlegt wurde. Dort teilte ich ein Zimmer mit zwei anderen Männern. Es ist beheizt und die Ausstattung ist ok. Es ist viel besser als die Sporthalle.

Der Blog "Neu in Deutschland"

Die beiden Syrer Adel und Iyad schreiben in regelmäßigen Abständen von ihrer Flucht und ihrem neuen Leben in Deutschland. Die Texte werden von der EZ-Redakteurin Laura Buschhaus vom Englischen ins Deutsche übersetzt.

Iyad ist 28 Jahre und kommt aus Syrien. Dort hat er als Informationsingenieur gearbeitet und in Damaskus gelebt. Im August 2015 ist er in Deutschland angekommen. An Deutschland schätzt er besonders, dass die Menschen sich frei bewegen und ihre Meinung sagen können.

Anmerkung der Redaktion zur Karte und den Fotos: Der Fluchtweg ist nach Adels Erzählungen rekonstruiert. Die Karte gibt einen groben Überblick über die Stationen und stellt die Strecke vereinfacht dar. Die Fotos sollen die Stationen veranschaulichen und können dabei auch Orte in der Nähe zeigen.