Klimaforscher Christoph Betram (rechts) wird von Moderator Manuel Uez befragt, während Karsten Bessai Rote-Bete-Ketchup auf die Veggie-Burger Foto: Karin Ait Atmane - Karin Ait Atmane

Koch Karsten Bessai zuschauen, ein paar Kostproben ergattern und dabei den Experten zuhören, die über CO2-Vermeidung diskutieren – das ist das Konzept der Klima-Koch-Show.

EsslingenNicht nur Liebe, auch Interesse geht durch den Magen. So ist Bio-Koch Karsten Bessai mit seinen kulinarischen Kreationen bei der vierstündigen Klima-Kochshow auf dem Esslinger Rathausplatz nicht nur der rote Faden, sondern auch der Publikumsmagnet. Die Leute drängeln sich für seine Versucherle, viele bleiben aber auch länger stehen und hören sich an, was die hochkarätigen Gäste auf der Bühne zu Klimawandel und Energiewende zu sagen haben. Das ist das Ziel der Show, zu der die Stadtwerke im Rahmen der baden-württembergischen Energiewendetage am Samstag zum zweiten Mal eingeladen haben.

Einen Tag nachdem die Bundesregierung ihr Klimakonzept beschlossen hat, ist bei den „Talkgästen“ die Enttäuschung groß. Ob Energiefachmann, Klimaforscher oder Filmemacher, das Resümee klingt durchweg ernüchtert. Gleichzeitig unterstreichen sie, wie viel eine mutige Politik tun und verändern könnte. Zur Sprache kommen dabei verschiedene Teilaspekte vom Wohnen über die Mobilität bis hin zu Ernährung und Landwirtschaft.

Mit 15-minütiger Verspätung startet die Show um Viertel nach zehn auf dem Rathausplatz: Man hat noch das Ende eines Schülerkonzerts vor dem Alten Rathaus abgewartet. Karsten Bessai und SWE-Geschäftsführer Jörg Zou haben aber schon mal mit Schnippeln und Raspeln fürs Bircher-Müsli begonnen; die am Vortag gequetschten Haferflocken sind bereits in Milch eingeweicht. Moderator Manuel Uez befragt den SWE-Geschäftsführer zur Energiewende: Wie findet sie in Esslingen statt, das ja als Stadt beschlossen hat, bis 2030 ein Viertel der 2007 verbrauchten Energie einzusparen?

Der Verkehr, auf den sich die Politik derzeit so stark fokussiere, sei dabei nur ein kleiner Teilaspekt, unterstreicht Zou: Er mache in Esslingen nur 13 Prozent des CO2-Ausstoßes aus. Weit mehr Energie werde in private Haushalten und von der Industrie verbrannt. Beratung der Kunden ist deshalb aus seiner Sicht ganz wesentlich, auch im Hinblick auf neue Technologien. Er setzt große Hoffnung auf die „Sektorkopplung“, bei der lokal erzeugte Energie für verschiedene Bereiche – und damit weitaus effizienter - genutzt wird. Das ist zum Beispiel im Vorzeigeprojekt neue Weststadt geplant: Solaranlagen erzeugen Strom, der zum einen ins lokale Netz eingespeist, zum anderen mittels Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt und somit als Treibstoff für Fahrzeuge genutzt wird. Die dabei entstehende Abwärme dient zum Heizen.

Ein innovatives Projekt – dabei sei „Wasserstoff eigentlich kein neues Thema“, wie Zou unterstreicht. Damit die Technik wirklich vorankommt, müsse die Bundesregierung sie fördern. Er spricht damit zum ersten Mal die Lenkungswirkung der Politik an, die im Lauf der Kochshow immer wieder zur Sprache kommt. Alle Gäste am Küchentisch sind sich einig: Um das Klimaziel von maximal zwei oder besser noch 1,5 Grad Erderwärmung zu erreichen, brauche es ganz klare politische Entscheidungen. Genau die vermissen sie beim frisch beschlossenen Klimakonzept.

Seine Stimmung sei deshalb ziemlich gedrückt, sagt Klimaforscher Christoph Bertram, der als nächster Gast auf die Bühne kommt. Da ist das Bircher-Müsli schon vom Publikum auf dem Rathausplatz verspeist worden; mittlerweile sind auch die Biertischgarnituren, mit weißen und grauen Stoffbezügen elegant aufgemöbelt, gut besetzt. Karsten Bessai bittet seinen neuen Helfer, die Äpfel für die Zwiebelmarmelade zu reiben, die die Veggie-Burger im zweiten Gang krönen wird. Christoph Bertram ist in Esslingen aufgewachsen und arbeitet heute am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Er spiele am Computer Szenarien durch, wie sich das Klima je nach Nutzung unterschiedlicher Energieformen entwickle, erklärt er. Folglich hat er ständig mit Folgen zu tun – und wenn deren Kosten einbeziehe, seien erneuerbare Energien längerfristig keineswegs teurer als konventionelle. Aber sie bräuchten eben einen Anschub.

Da ist er wieder, der Appell an die Politik. Das Klimakonzept vom Vortag sei aber nicht klar, sondern schwach und widersprüchlich, sagt Bertram: So ziehe man mit der ohnehin zu niedrigen CO2-Steuer die Menschen in die eine Richtung und schiebe mit der Erhöhung der Pendlerpauschale wieder in die andere. Dabei argumentiert der junge Mann eigentlich sehr differenziert, selbst das Fliegen will er nicht „verteufeln“, sondern gerechter auf die ganze Menschheit verteilen. In einer gerechten Welt mit gleichmäßig verteiltem Wohlstand stünde jedem einzelnen ungefähr alle zehn Jahre ein Interkontinentalflug zu: „Das könnten wir auch nachhaltig schaffen.“ Aber dass das Wochenende in Mallorca einschließlich Anreise billiger ist als das auf der Schwäbischen Alb, das müsse die Politik verhindern.

Auch an anderen Beispielen macht er deutlich, wie vielschichtig das Thema ist. E-Mobilität sei zwar derzeit durch den hohen Ressourcenverbrauch bei der Batterieherstellung durchaus fragwürdig – aber bei verbesserter Technologie und anderem Strommix in der Zukunft möglicherweise eine gute Option, sagt er. Oder, dass eine echte deutsche Energiewende zwar die Welt nicht retten würde, aber enorm wichtig als Vorreiter für ärmere Länder wäre. Das Umdenken bei der Ernährung und dem Umgang mit Lebensmitteln sind dagegen Thema des dritten Bühnengastes: Valentin Thurn, extra mit dem Zug aus Köln angereist, der die Filme „Taste the Waste“ und „10 Milliarden – Wie werden wir alle satt?“ gedreht hat. „Bevor wir mehr erzeugen, müssen wir weniger wegwerfen“, sagt er und nennt schockierende Zahlen. Zum Beispiel, dass unterm Strich ein Drittel der Welternte vernichtet wird. Und während es in Frankreich oder Tschechien Supermärkten gesetzlich verboten ist, gute Lebensmittel wegzuwerfen, wird in Deutschland noch immer haufenweise in die Tonne geklopft: zum Beispiel ganze Gebinde von Obst oder Gemüse, nur weil ein Stück davon schadhaft ist.

Valentin Thurn spricht über Monokulturen und Kleinbauern, über Überdüngung und den ökologischen Fußabdruck der Landwirtschaft, während Karsten Bessai das Gemüse für das Ratatouille zubereitet: Unter anderem kommen Karotten, Zucchini und Mangold aus der Region rein und ein „Topping“ aus Kresse und Sprossen obendrauf.

Im letzten Teil werden dann Bio-Bäurin Beate Hörz und Bio-Winzer Marcel Idler von ihren Anbaumethoden erzählen, während nebenbei ein frischer Salat aus Linsen, Wirsing und Apfel entsteht. Auch er wird, wie die Burger, die rasanten Absatz fanden, nicht nur von jungen Leuten verkostet.

Rote-Bete vom Bio-Koch

Rote-Bete-Ketchup nach Bio-Koch Karsten Bessai zum Beispiel für Veggie-Burger und als Tomaten-ketchup-Alternative für den Winter.

Zutaten:

2 Stückgekochte Rote Rüben, eine Zwiebel,

75 Gramm getrocknete Pflaumen,

Salz, Pfeffer aus der Mühle, etwas Apfelessig

frisch geriebener Meerrettich

Zubereitung:

Die Zwiebel schälen, fein würfeln und in etwas Sonnenblumen- oder Rapsöl leicht gesalzen anschwitzen. Die Rote Bete in Würfel schneiden, hinzugeben und mit anschwitzen. Die etwas zerkleinerten getrockneten Pflaumen auch kurz dazu. Alles zusammen im Mixer zerkleinern, mit Salz, Pfeffer und ein wenig Apfelessig abschmecken und Meerrettich hinzugeben. Je nach Geschmack kann man die Schärfe variieren. Mag man es eher fruchtig, hilft ein Apfel, den man ebenso mitanschwitzt und aufmixt. Hier aber die Flüssigkeit des Apfels beim Anschwitzen verdunsten lassen.

Man kann eine größere Menge auf Vorrat zubereiten, in Weckgläser heiß einfüllen und sterilisieren.