21.7.2018 Chris de Burgh auf der Esslinger Burg

 Foto: Boosz

Mit 69 Jahren entwickelt sich der irische Weltstar Chris de Burgh immer noch weiter. Das war bei seinem Auftritt beim Sommerfestival auf der Esslinger Burg deutlich zu sehen. Den Rockballaden des Sängers, Musikers und Komponisten lauschte das Publikum gebannt.

EsslingenMit sanften Balladen über die Liebe und für eine bessere Welt begleitet der irische Rock- und Popsänger Chris de Burgh Generationen. Seit er 1974 mit seinem ersten Album „Far Beyond These Castle Walls“ erfolgreich war, überzeugt der heute 69-Jährige mit poetischen Texten und mit Melodien, die viele Zuhörer nicht mehr aus dem Kopf kriegen. Ganz entspannt startete der Weltstar am Samstag auf der Esslinger Burg seine Tournee, mit der er sich und seine Fans vor seinem 70. Geburtstag am 15. Oktober beschenkt. 3200 Fans zog der Musiker, der sich selbst mit Gitarre und Piano begleitete, in seinen Bann. Unermüdlich wechselte er zwischen den Instrumenten. Auch ohne aufwändige Soundkulisse traf der Soft-Rock ins Mark. Gebannt lauschten die Zuhörer seiner Musik. Abgesehen von den ganz großen Hits wie „Don’t Pay The Ferryman“ oder „Lady In Red“ aber tanzten oder schunkelten nur wenige mit.

Das liegt nicht zuletzt an den tiefgründigen Texten, die zum genauen Zuhören verführen. Die Qualität von de Burghs Spätwerk liegt in der Kunst der Ballade. Noch mehr als am Beginn seiner Karriere strahlt der Ire nach mehr als 40 Jahren Bühnenpräsenz eine Nachdenklichkeit aus, die viel mehr hat als radiotaugliches Blabla. Der Sänger, der seine eigenen Kompositionen mit der Gitarre ebenso virtuos interpretiert wie am Piano, hat am Dubliner Trinity College Anglistik und Romanistik studiert. Seine philosophischen Zeilen verlangen den Zuhörern einiges ab. Die waren ganz bei sich. Jeder hat an die Songs, die de Burgh in vier Jahrzehnten komponiert hat, seine eigenen, besonderen Erinnerungen. Das mag die Versonnenheit erklären, die in den Zuhörerreihen zu beobachten war.

Auch die Tränendrüse zieht

Poetisches Sprachgefühl prägt Titel wie „Borderline“ (1982). Da singt er sich seine Fassungslosigkeit über Kriege von der Seele. Junge Soldaten, die am Bahnhof zu ihren Einsätzen aufbrechen, haben ihn zu der dunklen Ballade inspiriert. „Es sind doch nur Jungs, und ich werde nie verstehen, wie Menschen in Kriegen einen Sinn sehen können.“ Als er mit seiner warmen, kraftvollen Stimme bei der Zeile „Tears In My Eyes“ buchstäblich auf die Tränendrüse drückt, sprang auf der Burg der Funke ins Publikum über. Der Song aus dem Album „The Getaway“ berührte.

Gänsehaut jagt seine Kopfstimme dem Publikum über dem Rücken. In den ganz hohen Tonlagen, einst sein Markenzeichen, bewegt sich der Rockpoet heute allerdings nicht mehr ganz so virtuos. Von seinem Feuer aber hat der Sänger, dessen zeitlose Hits noch immer täglich im Radio zu hören sind, nichts eingebüßt. Mit seinem jungenhaften Lächeln wirkte der Star beim Auftritt auf der Burg einfach nur glücklich. Chris de Burgh machte solo eine sehr souveräne Figur. Um das Publikum aus der Reserve zu locken, verließ der Künstler beim Hit „Lady In Red“ samt seiner Gitarre die Bühne. Als er durch die Sitzreihen spazierte, jubelten die Fans dann doch. Eine Dame im roten Kleid lief ihm hinterher und drückte ihm ein Küsschen auf die Wange. Da war der Weltstar verblüfft und zugleich sichtlich gerührt, und vor allem in den vorderen Sitzreihen ließ sich das Publikum begeistern.

Der Abend mit Chris de Burgh auf der Esslinger Burg überzeugte nicht zuletzt deshalb, weil der 69-Jährige nicht nur darauf setzt, die Hits aus seinen Spitzenzeiten abzuspulen und sich feiern zu lassen. Sympathisch und unspektakulär zeigt der Weltstar, dass er sich als Sänger wie als Komponist mit den Jahren entwickelt hat. Der Titel „Bethlehem“ aus dem Album „A Better World“, das 2016 erschienen ist, ist im Vergleich zu früheren Songs rauer, rockiger, eher schnörkellos.

Starke poetische Bilder

Geblieben sind die starken poetischen Bilder vom aussichtslosen Kampf der Friedenstaube gegen den kriegerischen Falken. Angesichts von Flüchtlingsströmen, Kriegen und Tod schwingt da Verzweiflung in dem schwerblütigen Text mit. Doch die Botschaft des Künstlers bleibt positiv. Nicht zuletzt biblische Referenzen zeigen, dass er aus tiefstem Herzen an das Gute im Menschen glaubt – und an die Kraft, das eigene Leben ebenso zu verändern wie die Gesellschaft. Auch, wenn die Wirklichkeit wenig Anlass zur Hoffnung gibt, wie er in seinen kurzen Moderationen zwischen den Titeln in Anspielung auf den US-Präsidenten bemerkte, der am Hebel der Macht sitzt.

Dass er nicht nur ein Schmusesänger, sondern ein politisch denkender Mensch ist, zeigen auch Chris de Burghs frühere Texte. 1984, als der Kalte Krieg noch die Herzen und Köpfe der Menschen in Ost und West verschloss, sang er in „Moonlight and Vodka“ über Spione, die zwischen Verrat und Liebe taumeln. Obwohl der Text aus heutiger Sicht von der Realität ein wenig überholt wirkt, spricht aus den Zeilen der unstillbare Drang, Brücken zwischen verfeindeten Lagern zu bauen. Denn fremd sind sich die Menschen heute noch. Gefrusteten Fußball-Fans machte der Ire Lust, nach der aus deutscher Sicht wenig erfreulichen Fußball-Weltmeisterschaft den Russen mit offenem Herzen zu begegnen. Dieser Gedanke bringt die einfache, klare Botschaft des Weltstars besonders schön auf den Punkt.