Die Bundesligaspieler des Schachclubs nehmen es mit 60 Gegnern auf. Foto: Robin Rudel - Robin Rudel

Drei Tage lang haben die Deizisauer ihr 750-jähriges Ortsjubiläum gefeiert. Höhepunkt war das große Picknick in der Ortsmitte.

DeizisauSo ein Fest hat Deizisau in den 750 Jahren seines (offiziellen) Bestehens noch nie gesehen. Drei Tage lang Trubel in der Ortsmitte mit erstklassiger Musik, hervorragendem Straßentheater, Sportevents und einem riesigen Bürgerpicknick. Leuchtende Kinderaugen, zufriedene Erwachsene, strahlende Sonne und der Himmel ganz blau, wie es sich gehört für Deizisau.

Die Kinder werden dieses Fest nicht vergessen. Zum Auftakt am Freitag hat das zutrauliche Federvieh des Zirkus Liberta schon die Kinderherzen erobert. Am Sonntag verblüffen Baby-Elefant Rudi und sein Freund Kaspar kleine und große Zuschauer. Unglaublich, was so ein ziemlich echt aussehender Dickhäuter alles kann: Pirouetten drehen, den Dompteur ärgern, Kinder nass spritzen, trompeten, pieseln und kacken.

An der Spielstraße des Ortsjugendrings vergnügen sich die Kinder zwei Tage lang mit Pedalos, Rollbrett und Laufrad. Kletterkünstler sind beim Kistenstapeln gefragt. Die sechsjährige Lilith turnt – gut gesichert – wie ein Äffchen auf dem Turm herum und setzt die nächste Cola-Kiste drauf. Den Umgang mit dem Karabinerhaken hat Lilith im Waldkindergarten gelernt, verrät der stolze Papa. Bei Kiste 18 darf sie dem Turm einen Schubs geben, weil es keinen Nachschub mehr gibt.

Deizisau ist Spitze, zum Beispiel im Schach. Im Hof der Seniorenwohnanlage stellen sich die sieben Bundesliga-Spieler des Schachclubs ihren Herausforderern an 60 Brettern. Vorsitzender Sven Noppes erklärt: Weil sich die Meister abwechseln, weiß der aktuelle Spieler nicht, welchen Plan sein Vorgänger ausgeheckt hat.

Ums Gewinnen geht es beim Jubiläumsstaffellauf des TSV nicht. Dennoch rennen sich Kinder und Erwachsene fast die Lunge aus dem Leib. Die zehnjährige Nele von der Gruppe „Rennfahrer Biberle“ übergibt als Erste den Stab. Keine drei Minuten hat sie für die 700 Meter gebraucht. Die Jungs haben keine Chance. Die 2,2-Kilometer-Strecke der Erwachsenen führt weit den Berg hoch, mit Karacho und rotem Kopf kommen die Läufer wieder runter. „Zu schnell angegangen“, schnauft Hubert Hartmann (63). Er gehört zu den „Spontanen“, ebenso wie Bürgermeister Matrohs. Knapp elf Minuten braucht dieser, und ist damit schneller als TSV-Vorsitzender Rainer Schmid. Vielleicht hat der als Moderator zu Luft verbraucht.

Eine Pumptrack? So heißt die Bahn, die der Skiclub Schneesterne am Samstag auf dem Marktplatz aufgebaut hat. 65 Meter lang ist die Bahn aus Kunststoffteilen, auf der man mit Fahrrad oder Cityroller herum kurven kann. Cool? „Mega!“, sagt Robin (13), obwohl er sich gerade erst aufgerappelt hat. Zu spät hat er den Ruf „Nicht schanzen!“ von Organisator Volker Fischer gehört. Auf der Bahn soll man pumpen, also mit einer Auf-und Ab-Bewegung den Schwung halten, ohne zu treten.

Musik ist drei Tage lang zu hören. Am Freitag überraschen die Lokalmatadoren von „Oups!“ mit fantastischem Akustikrock. „Das war mehr als eine Vorband“, war Festkoordinatorin Katrin Walker hochzufrieden. Als dann die SWR1-Band auf die Bühne kommt, ist der Marktplatz voller Besucher, die Tische bis weit in die Marktstraße hinein besetzt. Sängerin Britta Medeiros und ihr Kollege MoMan, selbst unglaubliche Röhren, spornen die Deizisauer an, damit ihr „Na-na-na-Na-na-na-na“ auch in Plochingen zu hören ist. Besonders gefeiert wird Gitarrist Hans-Peter Zachary, der aus Deizisau kommt. Ebenfalls mit Deizisauern bestückt ist „C4-Die Band“, die am Samstagabend mit Rock und Pop den Marktplatz zum Tanzen bringt. Tagsüber sind auf der Bühne der Handharmonikaclub, die Concordia sowie der Musikverein zu hören und die Boogie-Woogie-Candy-Sticks zu sehen.

Aus der sächsischen Partnergemeinde Neukieritzsch ist mit Bürgermeister Thomas Hellriegel eine siebenköpfige Delegation angereist. Sie hilft, die Esskastanie neben der Kelter zu pflanzen, mit der die Partnerschaft bekräftigt werden soll.

Damit die Deizisauer richtig feiern können, sorgen auswärtige Dienste fürs Essen. Mit einer Ausnahme: Der Obst- und Gartenbauverein bäckt 750 Stück Apfelkuchen. In der Küche von Jutta Karmann knetet am Samstag ein zehnköpfiges Team Teig und schält Äpfel. Dann bringen die Vereinsmitglieder leere Backbleche, die belegt werden, solange die Blechbesitzer im Garten Prisecco trinken. Am Sonntag werden die fertigen Kuchen zum Stand gebracht. Dort schenkt der OGV vor Ort gepressten Apfelsaft aus, kostenlos. Nicht kostenlos, aber sehr gefragt: das Jubiläums-Pils „Deizisauer Ziegenböckle“, von dem Matrohs niemand erzählt hatte.

Wird das Experiment Bürger-Picknick funktionieren? Gegen 13 Uhr sitzen geschätzte 1200 Bürger an den 240 Tischen zwischen altem und neuen Rathaus. Ein paar Leute hätten noch Platz gefunden. „Wir sind Schnorrer“, sagt Lore Mongold lachend. Doch morgens beim Festgottesdienst sind sie und ihre Freundinnen von Inge Sohn eingeladen worden. Jetzt genießen sie Pizza, Nudelsalat, und Fleischküchle. Feigen aus Deizisau hat Nicole Bernert aus dem Garten so viele mitgebracht, dass es auch für Familie Dorner reicht. Eine Runde junger Männer sitzt um ihren Topf mit Weißwürsten und trinkt Bier dazu. „Mehr braucht’s nicht“, findet Andreas Gilg. Am Tisch von Wolfgang Bachmann gibt es exquisite Asia-Hackfleisch-Muffins. Vom Nebentisch wird ein Einweckglas mit Schafskäse und Gurken rübergereicht. Genau so war es gedacht. Selbstgemachtes mitbringen, austauschen, ins Gespräch kommen. „Geniale Idee“, findet Angelika Brinkmann, sie hatte keine Zeit zum Kochen und spendiert dafür eine Flasche Sekt.

Das I-Tüpfelchen wird um 16 Uhr gesetzt. Bürgermeister Matrohs informiert die Flugsicherung, dass der blaue Himmel nun für 750 Luftballons benötigt werde. Mehr als 1000 Bürger singen das Deizisauer Lied, zählen von zehn herunter und dann heben 750 gelbe und rote Ballons ab. „Emotion pur“, sagt eine glückliche Festkoordinatorin Katrin Walker.