Quelle: Unbekannt

Nimm nichts mit außer Bildern und hinterlasse nichts außer Fußspuren. Das ist so etwas wie ein Ehrenkodex für eine besondere Art von Fotografen. Sie suchen ihre Motive an einsamen und vergessenen Orten: an ausgedienten Industrieruinen, in verlassenen Schlössern oder auf Grundstücken, die zu Schrottplätzen verkommen sind. Je morbider, desto interessanter, je verwunschener, desto schöner. Tobias Weiler ist einer dieser Fotografen, die solchen lost places, wie sie unter Kennern genannt werden, nachjagen. Dem 27-jährigen Mediengestalter aus Lenningen ist kein Weg zu lang, kein Aufwand zu groß, um die verborgene Schönheit dieser verlassenen Plätze vor die Fotolinse zu bekommen. Erst neulich war er für ein paar Tage nach Belgien gereist, um dem Verfall preisgegebene Chateaus abzulichten. „Da gibt es eine große Schlösserkultur, unglaublich.“

Weiler bekommt leuchtende Augen, wenn er von seinen Exkursionen erzählt. Wie kommt man auf so ein Hobby? Vor gut zwei Jahren ist der 27-Jährige auf Facebook auf Bilder von lost places gestoßen, die ihn von Anfang an fasziniert haben. „Da tummeln sich weltweit Tausende von Fotografen, die sich über besondere Plätze austauschen und Tipps geben“, berichtet er. Doch sei es in der Szene ein ehernes Gesetz, die Orte nicht zu benennen. „Das bleibt immer das Geheimnis des Finders.“ Genauso selbstverständlich sei es, an den Plätzen keine Spuren oder Müll zu hinterlassen, schon gar nicht Graffitis. Natürlich gebe es schwarze Schafe, doch die allermeisten Kollegen hielten sich an die Regeln. Weiler ist sich bewusst, dass er sich mit seinem Hobby zumindest in einer Grauzone bewegt. Denn er betritt fremdes Terrain. Wenn er den Namen herausbekommt, bittet er den Eigentümer um Erlaubnis. Aber meistens bestehe dazu überhaupt keine Gelegenheit. Er selbst gelte unter den befreundeten Fotografen eher als Hasenfuß. Sein Grundsatz: Nur kein unnötiges Risiko eingehen. „Da wäge ich schon genau ab“, sagt der Lenninger. Negative Erfahrungen habe er bisher nie gemacht. Ganz im Gegenteil. Jüngst sei er sogar einem Eigentümer beim Verlassen eines Grundstücks in die Arme gelaufen. Nach ersten Irritationen habe sich ein gutes Gespräch entwickelt.

Aufwendige Recherchen

Vor einer Fotoexkursion steht in den allermeisten Fällen eine intensive Recherche zu den Objekten. „Da vergehen oft halbe Nächte“, berichtet Weiler. „Es lässt einem dann keine Ruhe, immer mehr herauszubekommen.“ Er laufe heute mit ganz anderen Augen durch die Welt, erzählt er. Immer auf der Suche nach dem Besonderen. Manchmal helfen ihm auch alte Zeitungsartikel bei seinen Recherchen. Auf diese Weise ist er mitten in einem Wohngebiet im Landkreis auf eine alte Mühle gestoßen, die noch komplett eingerichtet war. „Wie wenn die Zeit vor 60 oder 70 Jahren stehen geblieben wäre.“ Für so etwas kann sich der Mediengestalter begeistern: „Ein absolutes Highlight.“

Er sei meistens frühmorgens unterwegs, erzählt er von seinem außergewöhnlichen Hobby. „Da komme ich am besten unentdeckt rein.“ Außerdem liebt er die besondere Stimmung in der Frühe. Oft wird er von Kumpels auf seinen Touren begleitet, hin und wieder ist auch seine Freundin dabei. Seine Lieblingsaufnahme ist vom „Chateau noisy“ in Belgien. So wird in der Szene ein geheimnisvolles Schloss genannt, das seit zig Jahren leer steht. „Mit einer superschönen Außenansicht“, schwärmt Weiler. „Da wachsen aus den Fenstern schon die Bäume heraus.“ Es habe immer wieder Gerüchte gegeben, dass das Gebäude abgerissen wird. Nun rücken tatsächlich die Baumaschinen an. Der 27-Jährige ist deshalb froh, dass er sich zweimal Zeit genommen hat, mit dem Fotoapparat dort alles festzuhalten.

Die Szene sei in den vergangenen Jahren extrem gewachsen, berichtet Weiler. Davon zeugen auch unzählige Webseiten, auf denen der Verfall von Bauwerken und deren Geschichte in Bildern dokumentiert wird. Eine unüberschaubare Zahl von Fotografen geht mittlerweile weltweit regelmäßig auf Entdeckungsreise. „Damit der Glanz unserer Vergangenheit erhalten wird“, schreibt einer von ihnen über seine Motivation. Bei Tobias Weiler ist das nicht anders. Er liebt sein Hobby und er weiß: „Das kann manchmal richtig zur Sucht werden.“

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