Wer glaubt, er habe den Libanon verstanden, dem hat man ihn nicht richtig erklärt“, lautet ein libanesisches Sprichwort. Markus Grübel (Mitte) hat in den vergangenen Tagen dennoch versucht, den Libanon noch besser zu verstehen. Er reiste mit vielen Informationen zurück. Fotos: Bundeswehr, Schmidt Quelle: Unbekannt

Von Fabian Schmidt

Beirut - Das hat Markus Grübel noch nie geschafft. Der Esslinger Bundestagsabgeordnete ist in dieser Woche im Zuge seiner Funktion als Staatssekretär der Bundesverteidigungsministerin im Libanon auf Truppenbesuch gewesen - und hat jedem deutschen Soldaten, der auf dem Festland im Einsatz ist, die Hand geschüttelt. Denn nur ein kleiner Teil der etwa 150 in der Unifil-Mission der Vereinten Nationen (siehe Infobox) eingesetzten Bundesbürger sind direkt im Libanon tätig. Er hat sich deren Arbeit angeschaut, mit libanesischen Militär- und Politikvertretern gesprochen und sich mit Streitkräften anderer Nationen ausgetauscht.

Libanesische Marinekommandozentrale: Deutschland ist im Rahmen von Unifil vor allem mit der Marine aktiv. Die Bundeswehr unterstützt den Libanon bei der Sicherung der Seegrenze, trägt beispielsweise zur Radarüberwachung der Küste bei. Nach der Visite solch einer Radarstation trifft Markus Grübel den Befehlshaber der libanesischen Marine. Von etwa 80 000 Soldaten im Libanon sind 2000 maritime Streitkräfte. Grübels Gesprächspartner dankt dementsprechend für die Hilfe Deutschlands, die essenziell für den Libanon sei. Er wünscht sich noch mehr Unterstützung, um die Ausbildung ausweiten zu können, und sagt: „Israel ist unser Feind. Wir kooperieren nicht mit Israel.“ Markus Grübel ist enttäuscht von den Gesprächsvorbereitungen der Verantwortlichen auf libanesischer Seite, positiv findet er jedoch den anschließenden Vortrag eines Soldaten in der Zentrale der Radarüberwachung, die kleiner und unspektakulärer ausfällt, als sich das ein Zivilist vorstellt. Ein Lächeln huscht über das Gesicht des Staatssekretärs, als er eine Plakette der Fregatte Hessen entdeckt. Auf dieser war er in der parlamentarischen Sommerpause 2008 als Einsatztagebuchführer selbst bei Unifil im Libanon. So ist diese Reise auch eine Rückkehr für den 57-Jährigen.

Libanesisches Verteidigungsministerium: Yacoub Sarraf hingegen ist bestens vorbereitet, sagt Markus Grübel. Den Verteidigungsminister der im Dezember 2016 gebildeten Regierung trifft er in dessen Ministerium, das besser abgesichert ist als der Bendler-Block in Berlin. Sarraf bittet den Vertreter der deutschen Regierung um Unterstützung bei der Fotovoltaik-Technik. Die Bundesrepublik soll helfen, die Militärbasen damit auszustatten, damit die täglichen Stromausfälle keine Auswirkungen mehr auf die Ausbildung des Militärs haben. „Die Erfolge des Libanon im Kampf gegen Terrorismus sind sehr eindrucksvoll, und mit großer Achtung blicke ich auf den Umgang mit Flüchtlingen“, sagt Markus Grübel. Neben der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit unterstütze Deutschland seit 2007 auch die Streitkräfte und Sicherheitsorgane des Libanon. Im Rahmen der Ertüchtigungsinitiative plane die Bundesrepublik mit den Sicherheitsorganen gemeinsame Projekte im Gesamtwert von 2,9 Millionen Euro für 2017. „Unser gemeinsamer Schwerpunkt liegt hierbei auf dem land- und seeseitigen Grenzschutz als wesentlicher Beitrag zum Schutz der Menschen im Libanon vor terroristischen Bedrohungen.“ Dass der Libanon nicht nur auf See, sondern gerade im Grenzgebiet mit Syrien auch auf dem Land großen Herausforderungen gegenübersteht, wird in einem weiteren Vortrag im Verteidigungsministerium deutlich (siehe untenstehender Artikel).

Libanesische Marineschule in Jounieh: Etwas nördlich von Beirut unterrichten vier deutsche Soldaten ihre libanesischen Kameraden beispielsweise mithilfe eines Schifffahrtsimulators, den Deutschland ermöglicht hat. Als Markus Grübel vorbeischaut, üben die Soldaten gerade ein Manöver in der Kieler Bucht. Navigation, Nautik, Seemannschaft, Elektronik, Schadensabwehr, Seeraumüberwachung oder die taktische Zusammenarbeit von Streitkräften sind Ausbildungseinheiten, die in den vergangenen Jahren gemeinsam entwickelt wurden. Auch an Bord deutscher Schiffe lernen libanesische Soldaten, und zwei Kadetten der libanesischen Armee durchlaufen im Optimalfall pro Jahrgang die Ausbildung zum deutschen Marineoffizieranwärter in Flensburg. Nachhaltige Hilfe ist laut Grübel schließlich das Ziel. Nach der Besichtigung weiterer Ausbildungsräume und einer Wasserübung geht es gen Süden.

Unifil-Hauptquartier Naqoura: Unweit der Grenze zu Israel, nach einer etwa zweistündigen Autofahrt, trifft Markus Grübel den derzeitigen Befehlshaber der kompletten Unifil-Mission, Michael Bearny. Der Maritime Einsatzverband (MTF - Maritime Task Force) von Unifil, den Deutschland seit Beginn 2006 mitträgt, mache einen guten Job, sagt der Ire. Aber mehr Schiffe seien notwendig. „Denn der Libanon ist sehr fragil.“ Deshalb wäre es ein falsches Zeichen, das Unifil-Engagement zurückzufahren. MTF habe einen stabilisierenden Einfluss auf die Situation im Meer, der deutsche Beitrag sei wichtig, und sowohl der Libanon als auch Israel seien zufrieden. Alexander Koch ist der Führer des deutschen Einsatzkontingents Unifil. Er macht eine Verschlechterung der Ausrüstung in den vergangenen Jahren aus (kein libanesisches Schiff kann drei Tage am Stück auf See sein), sieht aber eine Verbesserung im Umgang mit den libanesischen Kameraden: „Es ist nicht mehr so mühsam.“ Deren Einstellung und Struktur habe sich optimiert. Auch von anderen Soldaten ist zu hören: Viele Libanesen sind gewillt, manchmal hindert allerdings die Ausrüstung an weiteren Fortschritten - und da setzt das deutsche Engagement an. Im deutschen Haus im Hauptquartier hört sich Markus Grübel die Sorgen der deutschen Soldaten an. Am Ende muss er kaum Punkte mit nach Hause nehmen. Dafür kommt er mit seiner offenen, ruhigen Art gut an. „Er ist nicht nur aus Pflicht da“, sagt ein Soldat.

Fazit Markus Grübel:„Unifil ist ein Erfolg, deshalb sind wir sehr zufrieden“, sagt der Staatssekretär auf dem Rückflug nach Stuttgart. Bei aller Hilfe betont er aber auch, dass der Libanon die eigenen Ressourcen und Fähigkeiten mehr für die Sicherheit einsetzen solle. „Der Libanon soll sich zunehmend auch selbst im Rahmen von Unifil engagieren, damit die anderen Länder ihr Engagement nach und nach reduzieren können.“ Es sei schließlich eine Mission der Hilfe zur Selbsthilfe.

Unifil wird es noch lange geben. Weil Libanon sowie Israel die Mission befürworten. Und auch weil die unter Unifil geführten Dreiparteiengespräche das einzige Forum sind, in dem diese beiden Länder direkt miteinander sprechen, wodurch Israel zudem einen direkten Kontakt mit der Hisbollah hat.

Über UNIFIL

Seit 1978 setzen sich Blaumhelmsoldaten aus mittlerweile etwa 40 Nationen im Rahmen von Unifil (United Nations Interim Force in Lebanon) für Frieden in der Grenzregion zwischen Libanon und Israel ein. Nach dem zweiten Libanonkrieg 2006 blockierten die Israelis die Seewege ins Nachbarland. Der Libanon bat um Hilfe bei den Vereinten Nationen, und der Sicherheitsrat legitimierte einen maritimen Einsatzverband (MTF). Deutschland übernahm das erste MTF-Kontingent, es war der erste Flottenverband unter UN-Führung überhaupt. Die Seeblockade endete, und das Unifil-Mandat wurde ergänzt. Seither helfen die Vereinten Nationen dem Libanon dabei, die Grenzen des Landes zu sichern und den Waffenschmuggel zu verhindern. Etwa 11 000 Soldaten sind bei Unifil im Einsatz - auf See, im Libanon und auf Zypern.