Quelle: Unbekannt

Knapp 2100 Narren und über 10.000 Zuschauer haben die Berkheimer Flegga-Kaschber und Berk-Hexen zum Nachtumzug erwartet. Sie wurden nicht enttäuscht.

EsslingenDie Party hat begonnen. Und das lange, bevor sie anfing. Der Bus der Linie 113 am Esslinger ZOB nach Berkheim war hoffnungslos überfüllt. Im Innenleben lag ein Mix aus Schweiß, Alkopops und Stimmbruch-Lauten in der Luft. Junge Nachwuchsnarren mit Häschen-Ohren, im Giraffenkostüm, als gebogene gelbe Südfrucht – der Kreativität waren keine Grenzen gesetzt.

In Berkheim haben Samstagabend die Narren regiert: Angekommen im Ort schien blanke Anarchie die Straßen und Wege zu durchkreuzen: Verrauchte Luft, martialisches Geschrei und Scharen von Hästrägern zierten das Bild der Berkheimer Gassen. Keiner war vor ihnen sicher – dem bunten Treiben wollte sich allerdings auch keiner der zahlreichen Zaungäste entziehen. Es war der mittlerweile neunte Nachtumzug, der von den Berkheimer Flegga-Kaschbern und den Berk-Hexen veranstaltet wurde. Unentbehrlich dabei: die Traditionen der schwäbisch-alemannischen Fasnet-Zünfte. Das Peitschen mit der „Karbatsche” beispielsweise durfte nicht fehlen. Ohrenbetäubend schallten die Hiebe durch die frische Nachtluft und durchbrachen dank geübten Peitschenmeistern die Schallmauer. Damit wollten sie den Winter vertreiben.

Bulla Suwareh war von dem Spektakel, das alle zwei Jahre in Berkheim stattfindet, fasziniert. Er trug zwar kein Häs, wurde aber zumindest von den Narren mit Wäscheklammern versorgt. Schon zum dritten Mal besuchte er den Nachtumzug. Der aus Gambia stammende Wahl-Berkheimer erzählte, dass er solche Umzüge in ähnlicher Form aus seiner Heimat kenne. Noch wusste er nicht alle Zünfte aus dem Stegreif, aber er lernt fleißig dazu: Flegga-Kaschber, Berk-Hexen, Erlenwölf. Knapp 2100 Narren und über 10 000 Zuschauer erwartete Marcel Ellinger, Medienbeauftragter der Berkheimer Flegga-Kaschber. Er hatte den Eindruck, dass der Nachtumzug noch nie so gut besucht war.

Das Ausmaß des närrischen Treibens zeigte sich nicht zuletzt an den Absperrungen im Ort. Ab 15 Uhr wurde die Buslinie 113 umgeleitet, um Platz für Hästräger und Schaulustige zu schaffen. Die Helferinnen und Helfer des DRK waren mit gleich sieben Erste-Hilfe-Stationen vor Ort. An der Moltkestraße/Ecke Jakobstraße startete der nächtliche Umzug. Vorbei an Feierwütigen, Fasnet-Fans und Zaungästen zogen die knapp 70 Vereine und Guggenmusik-Gruppen bis zur Osterfeldhalle. Dort klang der maskierte Spaß dann wie gewohnt mit Getränken und Party-Musik aus.

Das Berkheimer Großevent lockte Menschen über Landesgrenzen hinweg an. So zum Beispiel die Chrumm-Durm-Sumpf-Chroniker aus dem schweizerischen Solothurn. Auch die Live-Kommentatoren hatten ihre Schwierigkeiten, den Namen der Guggenmusiker korrekt auszusprechen – doch der Wille zählt bekanntlich. Die ganz in Grün gehüllten Männer und Frauen, die seit über 50 Jahren Krach machen, spielten bekannte Melodien in eigener Vertonung nach und brachten dabei Klein und Groß zum Staunen. Es müssen jedoch nicht immer 300 Kilometer Entfernung sein. Die Waldschrater aus Tübingen etwa freuen sich, am Berkheimer Umzug teilnehmen zu können. 59 Tage ab Start am 6. Januar zieht sich das närrische Treiben dieses Jahr und ist damit eines der längsten. Am 6. März – dem Aschermittwoch – ist dann Schluss mit lustig. Jedes Wochenende werden Veranstaltungen besucht, erzählt Anton Schmid. Der 56-Jährige war vor seiner Mitgliedschaft bei den Waldschraten schon 35 Jahre in einer anderen Narren-Zunft. Schmid ist der Dienstälteste im Verein und unverzichtbarer Hästräger. Das teilen einem die Tübinger Narren lautstark mit: Der gemeinsame Sprechchor „Anton, Anton!“ soll den Waldschrat animieren, sich dem Umzug wieder anzuschließen.

Die Nacht ist kälter geworden, der Alkoholpegel höher, die verbrauchte Luft riecht mittlerweile nach Böllern und Zigaretten. Anton Schmid war wahrscheinlich schon weg, als die Berkheimer Narren am Sonntag die Osterfeldhalle wieder in einen ordentlichen Zustand gebracht haben dürften.