Teilnehmer der Nothilfeübung des UN World Food Programmes sitzen am 19.10.2017 in Neuhausen in einem Zelt und planen ihr weiteres Vorgehen. Foto: dpa - dpa

Syrien, Jemen, Südsudan. In Neuhausen sind die Krisenherde der Welt in diesen Tagen allgegenwärtig. Eine Übung der Vereinten Nationen bringt sie in den Kreis Esslingen.

Von Larissa Schwedes

Neuhausen - Normalerweise arbeitet Myron Kaminsa an der türkisch-syrischen Grenze. Der gebürtige Philippine ist Helfer im World Food Programme der Vereinten Nationen. Sein Job: Er verschickt Lebensmittel aus der Türkei in syrische Krisengebiete. Seit Samstag liegt der Krisenherd, an dem Kaminsa im Einsatz ist, deutlich weiter westlich - in Neuhausen.
Aus 40 Nationen hat das World Food Programme Einsatzkräfte von Hilfsorganisationen - wie Unicef, Oxfam oder dem Technischen Hilfswerk - zusammengetrommelt. Sie alle stellen sich in Camps rund um die Bundesschule des Technischen Hilfswerks sieben Tage lang dem gleichen Szenario: In Tukastan, einem fiktiven Land, hat die Erde gebebt. Dörfer sind vom Verkehr abgeschnitten, das Funknetz ist zusammengebrochen, eine Million Menschen hat keinen Schutz und kaum Nahrung. Die Einsatzkräfte müssen schnell klären: Wie können wir telefonieren und uns vernetzen? In welchen Trucks kommen die Lebensmittel wie von A nach B? Kommen Helikopter zum Einsatz?
Das Thema Logistik gilt beim World Food Programme als große Baustelle. Rund 75 Prozent des Geldes gebe man bei derzeitigen Einsätzen dafür aus, beklagt André Hermann, der zu den Koordinatoren der Übung gehört. „Jeden Cent, den wir in der Logistik sparen, können wir in Essensrationen stecken.“
Neben Logistik-Profis sind bei dem Training auch Helfer im Einsatz, die sich auf Nothilfe im Bereich Telekommunikation spezialisiert haben. Dass auch diese ein zentrales Thema der Übung ist, liege am technologischen Wandel der vergangenen Jahre, erklären die Veranstalter. Auch die Krisenhilfe sei sehr abhängig geworden von Vernetzung über Funk, Telefon und Internet. Wie schnell die Helfer im Ernstfall für Vernetzung sorgen können, zeigt ein riesiger Funkmast in einem der Camps. Nur 20 Minuten brauchen die Helfer, um ihn auf einem Einsatzfahrzeug aufzubauen und zum Einsatz zu bringen.
Der Austausch von Spezialkräften aus Logistik und Telekommunikation ist zwar im Krisenfall wichtig, jedoch keine Selbstverständlichkeit. „Die haben bisher eine ganz andere Sprache gesprochen“, sagt André Hermann vom World Food Programme. „Jetzt läuft es aber wie geschmiert.“ Die Erfahrungen des Krisenhelfers Myron Kaminsa bestätigen das: „Ich habe gelernt, was die Kollegen von der Telekommunikation tun und warum sie mir antworten, wie sie antworten. Ich kann ihre Strukturen jetzt besser verstehen.“
Zählt man Techniker und alle anderen Unterstützer mit, sind mehr als 200 Menschen an der Krisenübung beteiligt. Eine von ihnen ist Inger Tjoflaat. Die Norwegerin sitzt sonst im Office Coordination of Human Affairs der Vereinten Nationen. Bei der Übung macht sie den teilnehmenden Helfern ordentlich Druck. „Ich nehme immer den schlimmsten Fall an“, berichtet Tjoflaat. „Ich kämpfe für die Interessen meiner Organisation und frage ständig: Ist die Ration groß genug? Geht das nicht schneller?“
Diesen Stress müssen die rund 40 Einsatzkräfte, die in den Camps arbeiten, unter harten Bedingungen bewältigen. Sie sehen in dieser Woche kein warmes Bett, keine Dusche und keine sehr üppige Verpflegung. An Tag 5 von 7 versprühen sie trotzdem noch erstaunlich viel Tatendrang. Das könnte daran liegen, das in Neuhausen die Welt noch in Ordnung ist. Nach der Übungswoche fliegen die Helfer zurück in ihre normales Arbeitsumfeld - in den Jemen, nach Somalia oder Syrien.