Beim Heiligen Vormittag, der sich oft bis in den Nachmittag hineinzieht, wird mit Bier, Sekt und Glühwein auf das Wiedersehen mit alten Freunden angestoßen. Foto: Dietrich Quelle: Unbekannt

Von Peter Dietrich

Beim „Heiligen Vormittag“ am Morgen des 24. Dezember dominierten wieder die klassischen Ecken in der Innenstadt, etwa der Roßmarkt und die Heugasse. Doch bei der Bewirtung ist bei einem Rundgang auch mindestens ein Neuzugang zu vermelden.

Die S-Bahn der Linie S1 wird voller und voller, wo wollen nur die ganzen jungen Leute hin? Einer steht mit der Bierflasche da, andere weichen kurzerhand ins kleine Erste-Klasse-Abteil aus. Doch in Esslingen leert sich der Zug, so als ob fast niemand nach Stuttgart will. Der „Heilige Vormittag“ und das weihnachtliche Wiedersehen sind nicht weit: Schon auf dem Bahnhofsvorplatz stehen die ersten Grüppchen mit Getränkebechern zusammen.

Wie viele Leute er erwarte? Das sei eine schwierige Frage, meint Giuseppe Di Dio vom La Vita am Anfang des Unteren Metzgerbachs. „Aber wir sehen das locker, das ist ja zum Spaß an der Freude.“ Mit rund 100 Litern Glühwein hat Di Dio gut vorgesorgt. „Wir machen bei Bedarf auch noch nach.“ Mit Schnee, sagte er, sei die Stimmung halt nochmals viel besser.

Wohl kaum zu verbessern wäre die perfekte Organisation im Krokodil. Im großen Aufbau neben dem Getränkewagen, mitten auf dem Roßmarkt, stehen die Gläser in Transportkartons bereit, es gibt Kartons für die leeren Flaschen, einen Eimer für die Geldscheine und Plastikkisten für die Münzen. Ein Pfand von einem Euro für die Flasche und zwei Euro für das Glas sorgen für deren zuverlässige Rückkehr. Auch mobile Toiletten sind aufgestellt. „Keine Zeit“ ist der einzige Kommentar, der dem extrem beschäftigten Wirt Manfred Hartmann zu entlocken ist.

Von wo nur auf den Roßmarkt fotografieren? Die hilfsbereite Lore Huttenlocher stellt dafür gerne ihren Balkon oberhalb der Bäckerei zur Verfügung. Bei so vielen Menschen, meint sie, sehe man nicht einmal die 23 Mülltonnen, die sie rund um den Roßmarkt gezählt hat - und die sie als reichlich viel empfindet, auch der Rattengefahr wegen. Es klingelt, der nächste Fotograf hat den Balkon entdeckt und wird genauso freundlich empfangen.

An der Ecke zur Inneren Brücke macht Enkel Schulz zum ersten Mal beim Ausschank am „Heiligen Vormittag“ mit. Die Theke hat der Chef Sascha Mädrich aus Weinkisten und einer Multiplexplatte selbst gebaut. Dahinter steht Anja Konanec. „Die meisten fragen nach Rosé“, sagt sie zur Sektauswahl, doch sie hat auch den weißen Kessler im Angebot. Ein Stück weiter hat sich das Lavazza gleich auf Rosé beschränkt.

Wie fühlt es sich an, wenn man an Weihnachten bei acht Grad gemütlich draußen sitzen kann? „Wie immer“, sagt Ulla Barth vor dem Emil. „Letztes Jahr hatten wir glaube ich Sonne.“ „Nicht auf Mallorca, sondern in Esslingen“, fügt Hans-Jörg Barth hinzu. „Glühwein braucht man keinen“, sagt Horst Reutter, der mit in der Runde sitzt. Er hat sich für ein helles Chiemsee Bier entschieden. „Das hat nicht so viel Alkohol.“ Was steht denn drauf? Es sind 4,8 Prozent, eher Durchschnitt. Das ist als genauso Augenwischerei wie die angebliche Herkunft. Denn das Bier wird nicht am Chiemsee gebraut, sondern tatsächlich in Rosenheim.

„Es ist mehr geworden, ohne unser Zutun“, sagt Annekatrin Schlipf vom Produktmanagement von Kesser Sekt zum dortigen Großandrang. Sie weiß auch von Stuttgarter Publikum. Rund 20 Leute seien im Einsatz, „damit alle ihr rechtzeitig ihr Gläschen kriegen“. Zur Auswahl gibt es Rosé und Hochgewächs, wobei erstere Version der klare Favorit der Gäste ist.

Bezahlen müssen die Sekttrinker überall mit der etwa gleichen Menge Euros. Die Flaschenpreise liegen knapp beieinander bei etwas über 20 Euro.

„Das sieht gut aus, das wird wie im Vorjahr“, sagt Oliver Zillich, Inhaber des Ad Astra in der Heugasse. Dort sorgen die fantastischen Vier - Ad Astra, LolaS, das Einhorn und Getränke Hemminger - gemeinsam für viel Betrieb. „Wenn sonntags keine Geschäfte offen sind, geht es etwas schneller“, meint Zillich zum Verlauf des Andrangs. Heuer, am Samstag, komme die größte Drängelei daher etwas später. „Da kommen immer alle“, sagt er zur Größe seines Teams. Zu ihm gehört Schwager Martin Zillich als Türsteher. „Ich mache das seit 26 Jahren.“ Parallel zum Weihnachtsmarkt, sagt er, habe er mehr zu tun als am „Heiligen Vormittag“.

Die größte Auswahl beim Ausschank draußen hat das LolaS zu bieten. Wie ist das mit Cuba Libre oder Monkey 47 Gin Tonic, wer will das? „Zum Schluss werden die Getränke härter“, sagt Bedienung „Becky“: „Ein Willi zum Frühstück wäre ja auch komisch.“

Ziemlich spät wird in der Gaststätte Zwiebel in der Küferstraße geschlossen. Dort sind gerade mehr Leute drinnen, als beim Außenausschank. „Schön, dass es hier nicht so voll ist“, sagt Martin Brunner. „Wir können uns ausbreiten.“ Offiziell hat er an Heiligabend bis 16 Uhr geöffnet, ist sich aber bereits sicher: „Vor 20 Uhr komme ich hier nicht raus, es sind auch engste Freunde da.“ Dafür sei dann an den Weihnachtsfeiertagen geschlossen.