Die Rothähne Neuhausen heizen richtig ein und bringen die Besucher des Fasnetsumzugs ordentlich in Stimmung. Foto: Bulgrin - Bulgrin

In den Fasnetshochburgen Wernau und Neuhausen ging es am Wochenende rund: Trotz kalter Temperaturen und grauverhangenen Himmel zog es zahlreiche Närrinen und Narren in die Innenstädte.

Wernau/NeuhausenAngesichts des grauverhangenen Himmels und kalter Temperaturen sagten sich die Narren wohl: „Jetzt erst recht“ und hauten am Wochenende ordentlich auf die Pauke. In den Fasnetshochburgen Wernau und Neuhausen zogen tausende kunterbunte Hästräger und Musiker lautstark und ausgelassen durch die Straßen, um den bisher eher tristen Winter zu vertreiben. Und siehe da: Unter den Zaungästen und den Umzugsteilnehmern zeigten sich bereits die ersten Frühlingsboten.

Kostüme: Gleich mehrere Züge voller Narren kamen am Samstagmittag in Wernau an – und noch bevor der Umzug startete, war der Platz vor der S-Bahn-Station gestopft voll mit überwiegend närrischem Publikum. Offenbar stehen Tierkostüme nach wie vor hoch im Kurs, das weibliche Geschlecht liebte es derweil märchenhaft und verkleidete sich als Einhorn oder Engel – und auch Obst auf zwei Beinen war zahlreich unterwegs. Zwei befreundete Familien mit Kinderschar waren aus Vorfreude auf den Frühling in ein Kostüm voller Blumen geschlüpft. Ein junger Mann im schwarzen Anzug und einem Strauß roter Rosen wäre hingegen wohl gerne der „Bachelor“ aus der gleichnamigen Fernsehserie, während einige männliche Kollegen sich in einen Trainingsanzug aus den 80er Jahren geworfen und eine Perücke im Stil von „Vokuhila“ – vorne kurz hinten lang – übergestülpt hatten. Drei 22-jährige Freundinnen wollten etwas ganz Ausgefallenes präsentieren und kamen als Haltestelle zum Umzug – mit entsprechendem Schild auf dem Kopf und einem Fahrplan mit der Zielangabe: „Ich trinke nie wieder Alkohol“.

Teilnehmer: 98 Gruppen mit rund 3600 Hasträgern und Musikern aus ganz Süddeutschland und der Schweiz hatten sich am Samstag angesagt. Darunter die Illertaler Wasserbätscher in leuchtend blauen Häs und wilder Mähne. Auch das Publikum kam zahlreich: Die Polizei geht von rund 30 000 Zuschauern aus.

Hexen: Hexen gibt es in der schwäbisch-alemannischen Fasnet zuhauf und auch in den beiden Fasnetshochburgen im Landkreis Esslingen traten die „alten Weiber“ mit ihren Hakennasen und teilweise furchterregenden Masken in allen erdenklichen Variationen auf. So manch kleiner Zaungast, wie auch die fünfjährige Jana, hielt da lieber gebührenden Abstand – und das, obwohl es Süßes gab. Andere kleine Narren waren forscher und sammelten eifrig Bonbons in ihre mitgebrachten Tüten.

Streiche: Hexen, Geister und andere finstere Gestalten lieben es nicht nur, Pyramiden zu bauen, sondern auch, Schabernack zu treiben. „Vorsicht“, hieß es für die Mädels in den ersten Reihen. Haare wuscheln und Schuhe klauen waren noch die harmlosen Varianten. Einige willfährige Opfer wurden wie ein Weihnachtsbaum zum Verkauf in ein Netz gewickelt, das zusätzlich noch mit Stroh gefüllt war.

Musik: Der Akkordeon Verein kurbelte musikalisch das Bruttosozialprodukt an: Die „Krankenschwestern“ und „Bauarbeiter“ tanzten ohne Unterlass die ganze Umzugsstrecke in Wernau entlang. Fanfarenzüge und Guggenmusiker heizten ebenfalls so richtig ein. Die „Note Trämpi“ aus der Schweiz marschierten als Uncel Sam verkleidet durch die Straßen und bei den „Bruggaklopfer“ aus Neuhausen gab der Flaschengeist aus Aladins Wunderlampe den Ton an. Apropos: Der Narrenbund Neuhausen ließ es sich nicht nehmen, wie jedes Jahr mit einem riesigen Aufgebot anzureisen.

Neuhausen: „Hecka, Heala-Hoi, hoi, hoi“, der Narrenruf der Wernauer, erklang vielstimmig am Sonntagmittag zum zweiten Mal – nun in Neuhausen. Hier machten 90 Gruppen mit rund 3700 Hästrägern und Musikern die Straßen unsicher. Die Hexen aus Lorch brachten sich auf dem Spielplatz am Klettergerüst schon einmal in Form. Ganze Männer- und Frauencliquen führten ihre Kostüme aus. In der „Flamingo-Bar“ stärkten sich gestandene Wikinger und bunte Einhörner. Offenbar wurden bei der Gelegenheit so manche Träume durch die Hand von Wesen mit Zauberkraft wahr: Etwa der nicht ganz echte Waschbrettbauch, der unter dem offenen Hemd zu sehen war. Mit Konfetti-Kanonen begrüßten dann Ehrenzunftmeister Charlie Riedel und Ehrenpräsident Hans Siegl vom Narrenbund Neuhausen den Umzug.

Schabernack: Das Karussell der Rotenhäne hat wohl Kultcharakter. Die Mädels mussten sich nicht erst bitten lassen, um im Käfig Platz zu nehmen und sich in schwindelerregender Geschwindigkeit drehen zu lassen. Die Wildsäu verpassten den Zaungästen mit einem abgehalfterten Weihnachtsbaum ein paar „Streicheleinheiten“. Und der ein oder andere Maskenträger mit einem Stift dem Gesicht ein närrisches Aussehen. Es waren aber auch friedliche Gesellen unterwegs wie die Eichelhäher mit einem aufwendig bestückten Häs und die Hörnleshasa, die mit ihren Karotten winkten. Die Weißnarren aus Neresheim schlugen hingegen mit den Saublodere (Schweinsblase) den Takt zu ihrem Schellentanz.

Tanz: Musik ist Trumpf, zumal, wenn es gilt, die Füße beim Mittanzen aufzuwärmen. Das Publikum bekam darüber hinaus auch in Neuhausen von den Guggenmusikern in ihren fantasievollen und farbenfrohen Kostümen kräftig eins auf die Ohren. Gardemädchen ließen unter Anfeuerungsrufen ihre Beine fliegen, darunter neun gestandene „Weibsbilder“ – teilweise mit Vollbart und kräftigen Waden – von der Karnevalsgesellschaft Schwarze Husaren.

Fantasie: Südseefeeling unter Palmen an der Strandbar ließ für kurze Zeit das nasskalte Winterwetter vergessen. Willkommen in „Greifer Island“, auf dem Wagen der gleichnamigen Gruppe. Die Wagenbaugruppe Ruf wünschte sich eine Seilbahn in Neuhausen und die Kollegen von der Hinteren Mühle entführten als „Mühlstones“ in die Steinzeit.

Polizei ist in Wernau mehrfach im Einsatz

Mehrere Verletzte gab es rund um den Umzug in Wernau, in Neuhausen blieb es nach Polizeiangaben dagegen ruhig. So wurde gegen 16 Uhr in Wernau ein 54-Jähriger von einer fünfköpfigen Gruppe niedergeschlagen. Der Wernauer hatte einen aus der Gruppe zur Rede gestellt, weil dieser gegen sein geparktes Auto urinierte. Gegen 19.40 Uhr tanzte ein 21-Jähriger eine gleichaltrige junge Dame aufdringlich an und wurde deshalb von einem Sicherheitsdienstler nach draußen gebeten. Hierbei wehrte sich der mit knapp zwei Promille alkoholisierte Mann heftig und verletzte den Security-Mitarbeiter leicht. Da ein 25-Jähriger gegen 20.15 Uhr nach einer Schubserei mit über 2,5 Promille stürzte, musste er vom Rettungsdienst behandelt werden. Als ein betrunkener 46-Jähriger gegen 20.40 Uhr plötzlich auf der Straße aus einem Auto ausstieg, wurde er von einem mit Blaulicht vorbeifahrenden Rettungswagen leicht mit dem Außenspiegel gestreift. Er stürzte zu Boden und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Ein 50-Jähriger aus Fellbach rastete gegen ein Uhr aus und warf mehrere Metallstühle durch die Gegend. Eine 53-jährige Wendlingerin, die beim Umzug als Ordnerin eingesetzt war, stürzte so unglücklich, dass sie sich schwer am Bein verletzte.

Mit einer Alkoholvergiftung musste in Wernau ein 13-Jähriger am Samstag in eine Kinderklinik gebracht werden. red