Bunte Trachten und viele Gäste: Die 66. Auflage des Vinzenzifests erfreute Jung und Alt. Fotos: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Sabine Försterling

Wendlingen - Beim Vinzenzifest, dem traditionsreichen Erntedankfest der Egerländer, sind am Sonntag etwa 300 Teilnehmer in aufwendig gearbeiteten, farbenfrohen Trachten oder auf historischen Schleppern und Fahrrädern durch die Innenstadt gezogen. Am Samstagabend hatten rund 1500 Gäste eine ausgelassene Party mit DJ Wolle auf dem Marktplatz gefeiert. Er und andere Musiker ließen die Stimmung steigen, zudem unterhielten diverse Tanzgruppen die Gäste und weitere Vereine kümmerten sich um Speisen und Getränke.

Das Vinzenzifest wurde erstmals 1694 als Erntedankfest in der alten Reichsstadt Eger, dem heutigen Cheb in Tschechien, gefeiert. Anlass war der Einzug der Reliquie des Heiligen Vinzenz. Die Egerländer hatten nach dem Zweiten Weltkrieg dieses Brauchtum mit in ihre neue Heimat gebracht und feierten nun zum 66. Mal in Wendlingen. Eine Teilreliquie des Märtyrers, liebevoll das „Knöchele“ genannt, kam jedoch erst 1981 in den Besitz der Gmoi und wurde von da an bei der feierlichen jährlichen Prozession am Sonntag von der Kirche St. Kolumban bis zum Marktplatz nebst Erntekrone vorangetragen.

Einheit und Frieden standen im Mittelpunkt des von Dekan Paul Magino im Freien zelebrierten Gottesdienstes, an dessen Schluss traditionsgemäß Birnen verteilt wurden. Auch Bürgermeister Steffen Weigel betonte beim anschließenden Empfang der Stadt die Wichtigkeit eines geeinten Europas und strich die politische Bedeutung des Vinzenzifests als Fest der Integration heraus. Den Egerländern komme eine Vorbildfunktion zu, meinte Festrednerin Friedlinde Gurr-Hirsch. Das Thema Flucht und Vertreibung kennzeichne in den vergangenen Jahren jedoch wieder den Alltag, fügte die Staatssekretärin im Ministerium für den Ländlichen Raum und Verbraucherschutz an. Diese Herausforderung sei nur gemeinsam mit den zahlreichen Ehrenamtlichen zu meistern. Ehrenamtliches Engagement - sei es bei der Flüchtlingshilfe oder im Verein - verbinde zwar, sei aber kein Selbstläufer. „Wir müssen daher bei den Kindern anfangen und den Gedanken in die Schulen tragen“.

„Ich bin mit der Kultur und der Sprache aus dem Egerland aufgewachsen“, erzählte Maria Lechner. Die 20-Jährige aus Hirschau am Neckar ist vor allem von der Musik begeistert, und daher spielt sie Cello bei der Familienmusik Hess, die bereits mehrmals beim Vinzenzifest aufgetreten ist. Allerorten sah man Paare oder Gruppen in Trachten durch die Wendlinger Innenstadt flanieren. Die 15-köpfige Trachtengruppe aus Schiltach im Schwarzwald war zum ersten Mal dabei. „Wir nähen unsere Gewänder alle selber“, erzählte Esther Schuler. Es sei heutzutage schwierig, die richtigen Stoffe und Bänder zu bekommen. In Schiltach gingen die jungen Mädchen in früheren Zeiten in Grün und die verheirateten Frauen in Blau. Die trugen übrigens unter ihrem Rosenhut noch eine Haube aus schwarzer Spitze. Daher komme das Sprichwort „Unter die Haube kommen“. Die Ledigen hingegen mussten sich an Festtagen mit einem kiloschweren Schäppel aus Glasperlen plagen. Die Männer aus Schömberg glänzten hingegen mit ihren kunstvollen Bärten. Markus Boss trug einen Vollbart a la Verdi. Der Schwäbische Bart- und Schnauzerclub marschierte zum achten Mal beim Festumzug mit und hatte Spaß. Nun fliegen die Mitglieder nach Texas zur Weltmeisterschaft.

Trachtengruppen aus dem ganzen süddeutschen Raum und dem Saarland präsentierten sich in Wendlingen mit farbenprächtigem Gewand wie die Banater Schwaben mit ihrem Gang zur Kirchweih in festlicher Kleidung. Die Zaungäste am Wegesrand waren aber auch von den historischen Fahrrädern und Schleppern sowie dem ehemaligen Fahrzeug der Werksfeuerwehr der Firma Heinrich Otto begeistert. Der TV Unterboihingen war in einem Reisebus aus dem Jahr 1961 unterwegs.

Die Wendlinger Vereine haben sich mächtig ins Zeug gelegt. Der Musikverein Unterboihingen füllte den Marktplatz beim Frühschoppen mit stimmungsvoller Musik, und so mancher Gast war erstaunt, Helene Fischers „Atemlos“ zu hören. Die Küche war international, von der Quiche Lorraine bis zum Wendlinger Griller. Beim Arbeitskreis Asyl konnte man eine nach altem syrischem Rezept aus Aleppo gefertigte Oliven-Lorbeerseife erwerben - und die Schnäppchenjäger wurden derweil auf dem Krämermarkt fündig.