Kap statt Donautal, Sommer statt Winter, Schweiß statt Erholung: Manuel Eitel will dieses Mal nichts wissen von entspannter Adventszeit, besinnlicher Weihnacht und rauschender Party zu Silvester. Der Leichtathlet ordnet seinem großen Ziel vieles unter, schließlich steht er kurz davor, dieses zu erreichen. Die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris werfen nicht nur ihre Schatten voraus, auf Spitzensportler wirken sie elektrisierend. Für Eitel hat sich diese glänzende Perspektive in den vergangenen Monaten immer konkreter entwickelt. Bei der Weltmeisterschaft in Budapest war er im August einer von drei deutschen Startern im Zehnkampf, mit Platz elf ist er am Ende zufrieden. Zwar blieb das Leichtathletikteam in Schwarz-Rot-Gold in Ungarn ohne Medaille, doch für den 26-Jährigen war sein Wettkampf ein Ausrufezeichen zur rechten Zeit.
8191 Punkte lautete die Bilanz nach den zehn Disziplinen – doch Eitel kann es besser. Deshalb hängt er an das planmäßige Trainingslager der Kaderathleten des Deutschen Leichtathletikverbandes in Südafrika noch einige Tage dran. In der Leichtathletik liegt der Erfolg in der Detailarbeit, für die „Könige der Athleten“ bieten sich in dieser Hinsicht gleich zehn Disziplinmöglichkeiten. „Ich werde keinen Zentimeter herschenken“, verdeutlicht Eitel seinen Ehrgeiz. Seine kontinuierliche Entwicklung macht ihm dabei Mut. Angefangen hat alles auf den Laufbahnen, in den Sprunggruben und den Diskusringen im Landkreis Esslingen.
Aufgewachsen ist Manuel Eitel in Reichenbach an der Fils, von den drei Geschwistern ist auch Schwester Tabea eine ambitionierte Leichtathletin (Siebenkampf und Weitsprung). Bei Manuel stellen sich die sportlichen Erfolge schnell ein. Im Alter von zehn Jahren zieht es ihn auf den nahen Schurwald, in die feine Trainingsgruppe des TSV Baltmannsweiler um Coach Hermann „Jimmy“ Klein. Bald darauf wird Sabine Dostal seine Trainerin, beide tingeln von Wettkampf zu Wettkampf. Im Landkreis Esslingen kenne er jedes Dorfstadion, sagt Manuel Eitel.
In den schnellkräftigen Disziplinen hat er seine Stärken, Erfolge hat er vor allem im Sprint. „Eigentlich habe ich mich aber schon immer dem Mehrkampf zugehörig gefühlt“, sagt Eitel. Verletzungen verhindern aber allzu häufig derart umfassendes Training. Also sprintet er mit der Vier-Mal-Hundert-Meter-Staffel bei der U-20-WM 2016 zu Bronze. Drei Jahre zuvor hat er in Bernhausen seinen ersten Zehnkampf über 7000 Punkten beendet.

„Ich werde keinen Zentimeter herschenken“
Manuel Eitel
In dieser Zeit werden erste Kontakte zum SSV Ulm gesponnen, 2015 dann der Wechsel in die Donaustadt. Wolfgang Beck und Stefan Press sind dort anfangs Eitels Trainer, mittlerweile ist er im Team von Zehnkampfbundestrainer Christopher Hallmann. Die deutschen Spitzenathleten Arthur Abele und Mathias Brugger zählen über Jahre zur Trainingsgruppe, mit Tim Nowak misst sich Eitel heute noch. In Ratingen schafft er 2018 seinen ersten Zehnkampf mit mehr als 8100 Punkten, bestätigt dieses Ergebnis im Jahr drauf zweimal. „Doch dann kamen schwierige Jahre.“ Corona bremst auch die Sportwelt aus, dann macht auch noch der Körper Probleme. „2021/2022 stand ich kurz vor dem Karriereende“, sagt Eitel. Doch dann schafft er mit „recht wenig Training“ die Qualifikation für die Weltmeisterschaft. Das sorgt für eine Extraportion Motivation, Ende Mai stellt Eitel im Zehnkampf-Mekka Götzis mit 8351 Punkten seine bisherige Bestmarke auf.
Nach Budapest ist vor Paris: Manuel Eitel will es nun wissen. Er hängt sich rein. Zwar zwickt es immer noch hie und da, doch der Körper spielt mit. „Ich nehme jeden Tag, an dem ich gut trainieren kann, gerne mit.“ So will er sich weiter verbessern, Schritt für Schritt. Richtung der 8500-Punkte-Marke soll es gehen. Im südafrikanischen Stellenbosch - nahe Kapstadt - bieten sich im Trainingslager bei 30 Grad und meist leichtem Lüftchen beste Voraussetzungen.
Knapp acht Wochen verbringt er dort. Luft nach oben sieht er vor allem in den Disziplinen des zweiten Wettkampftages; Diskus, Stabhochsprung und der Hürden-Sprint sind Wackeldisziplinen. Im ungeliebten 1500-Meter-Lauf hat er sich mittlerweile ins Mittelfeld vorgepirscht. „Der erste Tag ist schon sehr gut.“ Dass er sich derart frei seiner Passion widmen kann, ist auch der Anstellung bei der Bundespolizei geschuldet. Denn dort ist er mittlerweile komplett freigestellt, um „seinen“ Zehnkampf zu leben. „Das ist eine sehr privilegierte Situation“, sagt Eitel über die staatliche Sportförderung.
Manuel Eitel sieht sich im Kampf um den dritten deutschen Startplatz
in einer guten Position.
Bleiben sie fit, sind Leo Neugebauer und Niklas Kaul die ersten beiden Olympia-Startplätze nicht zu nehmen. Neugebauer, in Stetten auf den Fildern aufgewachsen und seit Jahren in den USA trainierend, ist WM-Fünfter und hat diesen Sommer mit 8836 Punkten Jürgen Hingsen den deutschen Uraltrekord entrissen. Kaul ist Weltmeister (2019) und Europameister (2022). Dahinter wird es spannend, Manuel Eitel sieht sich im Kampf um den dritten deutschen Startplatz in einer guten Position. Konkurrenten sind Tim Nowak, Kai Kazmirek, Felix Wolter und Marcel Meyer. „Ich will unbedingt da hin“, sagt Eitel über Paris 2024. Auch, weil er seinen ersten Wettkampf auf der ganz großen Bühne in Budapest genossen hat. Die Kulisse sei beeindruckend gewesen, die Organisation vom Feinsten. Und doch: „Im Endeffekt macht man auch dort nur einen Zehnkampf.“ Konzentration auf das Wesentliche also. Auf Fußballerisch heißt das: von Spiel zu Spiel denken. Und nach Paris? Stehen 2028 Spiele in Los Angeles an. „Mir macht das Training unheimlich viel Spaß. Solange das so ist und der Körper hält, mache ich weiter.“
Und Eitel sieht nicht nur in der Punktausbeute Entwicklungspotenzial, auch Stabilität im Wettkampf ist gefragt. In Budapest lag nach den ersten fünf Disziplinen eine Bestmarke in Reichweite, mit dem zweiten Tag war er aber „sehr unzufrieden“. Nur eine persönliche Bestleistung (1500 Meter) ist ihm zu wenig. „Ich stelle sehr hohe Ansprüche an mich, mache mir den meisten Druck selbst“, sagt er.
Eitel will seinen Olympiatraum unbedingt real werden lassen. Seine statt Donau heißt es dann. Und Eitel weiß auch: „Jeder Zehnkampf schreibt seine eigenen Geschichten.“ Eine davon würde er nur zu gerne in Paris selbst schreiben.