Für Juan Pablo Villalobos ist Humor eine probate Waffe. Foto: Rudel Quelle: Unbekannt

Von Petra Weber-Obrock

In Zeiten, in denen Mauern zwischen Ländern gebaut werden sollen, scheint es umso wichtiger, die Grenzziehungen in unseren Köpfen zu hinterfragen. Symptomatisch für dieses Wagnis warf das Wahlergebnis in den USA seinen Schatten über die LesART-Lesung am Samstag im Kutschersaal. Eigentlich hätten an diesem Abend zwei mexikanische Schriftsteller ihre Werke vorstellen sollen. Doch Valeria Luiselli war kurzentschlossen zu Hause in New York geblieben. „Donald Trump for President“ - diese Nachricht hatte ihrer kleinen Tochter einen so großen Schrecken eingejagt, dass Luiselli sie mit ihren Ängsten nicht allein lassen wollte. Juan Pablo Villalobos musste „nur“ aus Barcelona im „alten Europa“ anreisen, wo der mexikanische Autor mit seiner Familie zu Hause ist. Mit seinem Schelmenroman „Ich verkauf dir einen Hund“ (Berenberg-Verlag, 24 Euro) ist es dem 43-Jährigen auf hintergründige Weise gelungen, einen Text über die Geschichte, die Kunst und die Kultur seines Landes zu Papier zu bringen.

Angereichert mit haarsträubenden Details und bevölkert von exzentrischen Figuren erzählt er die aberwitzige Geschichte des 78-jährigen Teo, der in einem ausschließlich von Senioren bewohnten Haus in Mexico City untergekommen ist. In welcher Form der titelgebende Hund den Besitzer wechselt, ist dabei wahrlich nichts für Tierfreunde. Die Einführung in den Abend übernahm Kulturbürgermeister Markus Raab, Kenner und Freund Mexikos. Unterstützt wurde Villalobos von Moderator Héctor Portillo Jimenez, seines Zeichens Konsul des Landes Mexiko in Frankfurt, und der Übersetzerin Constanze Alvarez. Aus der deutschen Ausgabe des Romans las Lucia Schlör. Humorvoll und mit einer guten Portion Selbstironie verführten Portillo Jimenez und Alvarez den Autor dazu, näher auf die Metaebenen des Romans einzugehen. Denn nicht umsonst nimmt Teo immer wieder Theodor W. Adornos „Ästhetische Theorie“ zur Hand, und sei es nur, um die Kakerlaken zu erschlagen, die den Aufzug im Seniorenhaus zu Abertausenden bevölkern. Auf dieser versteckten Ebene geht es um die Kunst und die Kunstgeschichte Mexikos und damit um ein Land, das schmerzlich auf der Suche nach sich selbst ist, gerade so wie Villalobos‘ auf absurdeste Weise strauchelnder Protagonist. Teo ist ein gescheiterter Künstler und Tacoverkäufer und ganz sicher nicht dabei, einen Roman zu schreiben.

Zu dieser Geschichte inspiriert wurde Villalobos von dem surrealistischen Maler Manuel Gonzales Serrano aus dem Umkreis von Frida Kahlo und Diego Riveira. „Den hat man nicht verstanden“, sagte er. „Deshalb wurde er ausgegrenzt.“ Dennoch geht es in der Geschichte um weit mehr als um einen erfolglosen Künstler, der seine Ersparnisse aufteilt, bis der Sensenmann ihn holen darf. Immer wieder verlässt der Autor die Gegenwart, um Teos Biographie seit den 1930er- Jahren auszuloten. Teils bitterböse und mit rabenschwarzem Humor. Auch auf der Gegenwartsebene der Geschichte häufen sich haarsträubende Handlungen und führen schließlich zu einer Art kriminalistischem Plot. Als ein Junge verschwindet, geht Teo auf die Suche nach ihm. „Die Geschichte Mexikos ist immer auch eine Geschichte der Verschwundenen“, sagt Villalobos.

Doch wenn ein Land in seiner Vergangenheit so viel Gewalt und tragische Verstrickungen aufweist wie Mexiko - verbietet es sich dann nicht von selbst, sie mit humoristischen Mitteln auszuloten? Villalobos hat da eine eindeutige Position: „So lange wir uns über die Tyrannen lustig machen können, gibt es noch Raum für Hoffnung.“