Seyran Ate ş erhebt ihre Stimme gegen fundamentalistische Tendenzen. Quelle: Unbekannt

Von Alexander Maier

Es ist kein Geheimnis, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklafft - und das in einer Zeit, die nicht von Rezession und Wirtschaftskrise bestimmt wird. Immer häufiger wird die Gerechtigkeitsdebatte geführt, viele beschleicht ein Unbehagen, wenn sie über die Zukunft unserer Gesellschaft nachdenken. Und über ihre eigenen Perspektiven. Deshalb findet die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht inzwischen weit über die eigentliche Klientel ihrer Partei hinaus Aufmerksamkeit. Das zeigt sich auch in Esslingen: Ihr LesART-Auftritt findet so große Resonanz, dass die Lesung ins Neckar Forum verlegt werden muss.

„Reichtum ohne Gier“ heißt Sahra Wagenknechts jüngstes Buch. „Es ist Zeit, sich vom Kapitalismus abzuwenden“, fordert die Volkswirtin, Publizistin und Politikerin, die als streitbare Bundestagsabgeordnete und Talkshow-Stammgast keiner Diskussion aus dem Weg geht. Denn nach ihrer Einschätzung ist der Kapitalismus längst nicht mehr so innovativ, wie er sich gibt. Das begründet sie so: „Bei der Lösung der großen Zukunftsfragen - von einer klimaverträglichen Energiewende bis zu nachhaltiger Kreislaufproduktion - kommen wir seit Jahrzehnten kaum voran. Für die Mehrheit wird das Leben nicht besser, sondern härter.“

Sahra Wagenknecht formuliert in „Reichtum ohne Gier“ (Campus-Verlag, 19.95 Euro) ihre Alternative zum aktuellen Wirtschaftssystem: Nach ihrer Einschätzung ist es „Zeit für eine kreative, innovative Wirtschaft mit kleinteiligen Strukturen, mehr Wettbewerb und funktionierenden Märkten, statt eines Wirtschaftsfeudalismus, in dem Leistung immer weniger zählt, Herkunft und Erbe dagegen immer wichtiger werden“.

Unter solchen Vorzeichen will die Politikerin, die lange Zeit als das Gesicht des linken Flügels ihrer Partei galt und die in jüngster Zeit durch überraschende Thesen etwa zur Flüchtlingsdiskussion für Aufsehen gesorgt und Beifall aus ungewohnter Ecke erhalten hat, die Diskussion über die Zukunft unserer Gesellschaft befeuern. Sie analysiert die bestehende Wirtschaftsordnung und zeigt Schritte in ein demokratisch gestaltetes Gemeinwesen, das niemandem mehr erlauben soll, sich auf Kosten anderer zu bereichern. Dass das nicht jedem gefällt, nimmt sie in Kauf. In einer Zeit, in der es mehr um Konsens als um befruchtende Diskussionen geht, kann es ganz guttun, sich an der Meinung anderer zu reiben. Denn Reibung kann die Energie erzeugen, die nötig ist, um den Weg in eine gute Zukunft zu meistern.