(gw) - Manchmal kommt das Unheimliche auf leisen Sohlen daher und begegnet uns ausgerechnet dort, wo wir es am wenigsten erwarten: in unserem ganz gewöhnlichen Alltag. Wenn wir’s recht bedenken, gibt es heutzutage vieles, was uns irgendwie irritiert. Und am irritierendsten ist es, wenn uns solche Irrungen und Wirrungen der modernen Welt gar nicht mehr auffallen. Doch zum Glück gibt es Menschen wie Kathrin Röggla, die den Blick für das Absonderliche im Alltäglichen noch nicht verloren haben. Die vielfach ausgezeichnete österreichische Schriftstellerin, die zu den meistgespielten Theaterautorinnen der Gegenwart gehört, erzählt in ihrem neuen Buch „Nachtsendung“ unheimliche Geschichten aus der Gegenwart. Kathrin Röggla hat unterschiedlichste politische, soziale und private Szenarien zusammengetragen. Vieles mag uns vielleicht gerade deshalb irritieren, weil es uns schon länger bewusst ist und weil wir’s nur zu gern beiseite geschoben haben.

Die kurzen Geschichten, die Kathrin Röggla in ihrer „Nachtsendung“ (S. Fischer Verlag, 22 Euro) zusammengetragen hat, mögen auf den ersten Blick zusammenhanglos wirken, doch in der Gesamtschau ergeben sie das Bild einer Gesellschaft, in der sich allenthalben Risse, tote Winkel und Brüche finden lassen: Fehlende Kommunikationsfähigkeit, aufgestaute Wut, familiäre Abgründe, die Angst vor dem unvermeidbaren Absturz ins Bodenlose oder der wutbürgerliche Aktivismus - all das und vieles mehr lässt Kathrin Röggla in ihrem neuen Buch aufscheinen. Und auch wenn sie vieles noch kräftig zuspitzt, sollten uns die Beobachtungen dieser klugen Autorin nachdenklich machen: Wollen wir den Dingen wirklich ihren Lauf lassen oder ist es nicht endlich an der Zeit, solchen unliebsamen Entwicklungen beherzt entgegenzutreten?