Bereits im vergangenen Schuljahr haben die Realschulen zusätzliche Lehrerstunden für die individuelle Förderung bekommen. Beim selbstorganisierten Lernen in der Zollberg Realschule arbeiten Schüler aus zwei Klassen an ihren Aufgaben. Drei Lehrer helfen, wenn Rotation ’ s klemmt. Achiv Foto: Bulgrin Foto: Bulgrin

Von Andrea Ambos

Hochkarätige Autoren und ein aufgeschlossenes, vielseitig interessiertes Publikum bescherten der 22. Esslinger LesART einen großen Erfolg: Rund 4600 Besucher wurden in 40 Veranstaltungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene gezählt. Dass die Zuhörer nicht nur bekannte Namen wie Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch, Sahra Wagenknecht, Arnold Stadler oder Wilhelm Genazino honorierten, sondern auch die literarischen Entdeckungen mit viel Aufmerksamkeit bedachten, unterstrich Esslingens guten Ruf als Literaturstadt. Zu den Höhepunkten der LesART zählt alle Jahre wieder das Literaturfest im Jazzkeller, mit dem das Festival traditionell zu Ende geht. Eine reizvolle Mischung sorgt stets für ein ausverkauftes Haus: Drei regionale Autoren, eine hochkarätige Jazz-Band und ein pointierter kulturpolitischer Dialog mit dem Oberbürgermeister wurden auch diesmal mit viel Beifall bedacht.

Im Terminkalender von OB Jürgen Zieger hat das Literaturfest seinen festen Platz. Im munteren Dialog mit EZ-Redakteur Alexander Maier, der zusammen mit Bücherei-Leiterin Gudrun Fuchs durchs Programm führte, verriet der OB, dass Literatur für ihn nicht nur ein intellektueller Genuss ist, sondern auch ein elementarer Baustein zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit: „Wer nicht liest, ist ein armer Mensch.“ Literatur sei „eine existenzielle Voraussetzung für die Weiterentwicklung einer Gesellschaft“, weil sie unterschiedliche Denk- und Sichtweisen auf die Welt ermögliche. Kultur ist für Zieger „der Humus, auf dem sich eine Gesellschaft entwickelt“. Ohne Kultur sterbe eine Gesellschaft. Mit Blick auf die seit Jahren diskutierte Modernisierung und Erweiterung der Stadtbücherei äußerte sich der OB „vorsichtig zuversichtlich“. Das Thema sei in jüngster Zeit etwas in den Hintergrund geraten - nun wolle man sich im Rathaus nochmals systematisch mit der Zukunft der Bücherei beschäftigen. „Das wird auch höchste Zeit“, befand Maier unter dem Beifall des Publikums. Ziegers Buchtipp galt diesmal Juli Zehs „Unterleuten“, einem gesellschaftspolitischen Roman über ein brandenburgisches Dorf.

Drei Autoren aus dem süddeutschen Raum gaben den Zuhörern beim Literaturfest Kostproben aus ihren jüngsten literarischen Werken. Der Wort- und Sprachkünstler Günter Guben verdeutlichte dem Publikum mit seinen Gedichten, dass das geschriebene Wort durch nichts ersetzt werden kann. Seine tiefgründigen, manchmal augenzwinkernden Vieldeutigkeiten, mit denen Guben die gewählten Worte versieht, bedürfen des Nachdenkens. Und wer Gubens jüngsten Gedichtband „Verfügung der Dinge“ (Edition Hammer und Veilchen, 12 Euro) liest, der versteht sofort des Autors literarisches Credo: „Sprache ist etwas ganz Wunderbares. Man kann mit ihr zaubern.“

Die Ulmer Autorin Silke Knäpper las aus ihrem Buch „Hofkind“ (Klöpfer und Meyer, 13.99 Euro), mit dem sie ihr Publikum in die Abgründe familiärer Beziehungen und Verstrickungen blicken lässt. Die Geschichte der kleinen Carla, deren Mutter ihr eigenes Lebensglück über das ihrer Tochter stellt, berührt zutiefst - nicht nur den Leser, sondern auch die Autorin: „Auch wenn es nicht die eigene Lebensgeschichte ist, lässt sie einen auch beim Schreiben nicht kalt.“

Mit Witz und Ironie beendete Olaf Nägele die Lesungen. Er hatte zum Literaturfest seinen neuen Krimi „Goettle und die Hexe vom Federsee“ (Silberburg Verlag, 9.90 Euro) mitgebracht: Als schreckliche Dinge in einer oberschwäbischen Kurklinik geschehen, spürt Pfarrer Andreas Goettle, dass nicht nur sein geistlicher Beistand, sondern auch sein kriminalistischer Rat gefragt ist. Dass Nägele seine Geschichte mit dem ihm eigenen augenzwinkernden Humor erzählt, ist Ehrensache.

Den musikalischen Part übernahm das Magnus Mehl Quartett. „Ihre Musik ist in Jazztraditionen verwurzelt und klingt doch immer erfrischend zeitgemäß“, lobte Gudrun Fuchs. Und sie bescheinigte Magnus Mehl, Martin Schulte, Jens Loh und Ferenc Mehl: „Man spürt, dass sich da vier Musiker gesucht und gefunden haben, die im selben Rhythmus ticken.“ Und die im Jazzkeller bewiesen, wie gut sich Literatur und Musik ergänzen.